Ramses

…. hat in Bärenmärchen eigentlich nichts verloren. Aber er kann Wetter und hat einen Draht zu Tussi – und der ist mitunter wichtig, um den manchmal unpraktischen Bären zu helfen.

ramsesgras

Kulles kurzer Krisen-Kurs

Kulles grundlegende, leicht verständliche Erklärung der gegenwärtigen menschlichen Wirtschaftskrise, nicht nur für Bären, sondern für alle Wesen von ein wenig geringem Verstand, in wenigen Paragraphen

PD Kulle

§1 Alle Lebewesen haben Bedürfnisse. Der Mensch gehört zu den Lebewesen, hat also ebenfalls Bedürfnisse. Die Grundbedürfnisse eines jeden Lebewesens müssen befriedigt werden, sonst stirbt es vor dem Ende seiner möglichen Lebenszeit.

§2 Die meisten Lebewesen sorgen selbst für die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse. Auch der Mensch hat das einst getan. Dann aber begann er, sich kräftig zu vermehren, und er musste sich den Lebensraum mit anderen Menschen teilen. Er begann auch, sich die Arbeit zu teilen: Er spezialisierte sich auf bestimmte Fertigkeiten. Einer backte zum Beispiel Brot, während der andere Tontöpfe herstellte, in denen man Suppe kochen konnte.

§3 Der Mensch, der Hunger auf Suppe hatte, ging zum Töpfer, der Töpfer, der Brot wollte, verhandelte mit dem Bäcker: Wie viele Brote sind ein Topf?

§4 Oft fand der Töpfer keinen Bäcker und der Bäcker keinen Töpfer. Es war viel praktischer, sich auf ein Produkt zu einigen, das alle Hersteller als Gegenleistung für ihr Angebot akzeptierten und mit dem man selbst alles erwerben konnte, was man brauchte. Schafe zum Beispiel, oder Hühner, Ziegen, Schweine: Fast jeder hatte ein Tier in seinem Hof. Oder Salz: Salz war ein kostbares Gut, und es ließ sich leicht in kleine Einheiten teilen.

§5 Tiere müssen gefüttert werden, sonst sind sie nichts mehr wert, Salz löst sich auf, wenn es mit Wasser in Berührung kommt: Der Mensch suchte nach einem dauerhafteren Gegenstand, gegen den man alles tauschen konnte. Er fand ihn in Gestalt von Gold, Silber und Kupfer, die er in reiner Form oder als Erz aus der Erde holte. Edelmetalle wurden allgemeine Tauschmittel, man prägte Münzen daraus und nannte sie Geld, und wer das Geld mit billigem Blei fälschte, wurde mit dem Tode bestraft, denn das Geld hatte einen Wert, und auf den sollte sich jeder Mensch verlassen können. Nur die Könige betrogen nach Herzenslust und kamen mit dem Leben davon, aber das war bei Königen ja schon immer so.

Das Verfahren wurde Jahrtausende lang angewendet, und in diesen Jahrtausenden wurden Reiche gegründet und gingen Reiche unter, und die Menschen verwandelten die Erde in einen Menschenplaneten, und sie gewannen Kenntnisse, aber nicht viel an Erkenntnis, was sich daran festmachen lässt, dass sie immer brutalere Kriege gegeneinander führten.

§6 In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts führte der große Staat USA einen brutalen und teuren Krieg gegen das Volk des kleinen Staates Vietnam. Für diesen Krieg brauchten die USA mehr Geld, als sie Edelmetalle hatten. Die Regierung zog daraus aber nicht die logische Konsequenz, den Krieg zu beenden, sondern erklärte ihren eigenen Bürgern und allen anderen Menschen, dass der Wert des Geldes der USA ab 1971 nicht mehr durch Edelmetalle gesichert sei. Die Regierungen der anderen Staaten fanden das praktisch und machten es den USA nach. Mit dem wertlosen Geld der verschiedenen Staaten begann an neu eingerichteten Devisenbörsen ein lebhafter Handel.

§7 Eine wahre Geldexplosion setzte ein: Die Zentralbanken der Staaten druckten freudig immer mehr Geldscheine. Die Geschäftsbanken drängten ihren Kunden Kredite auf, um durch die Rückzahlung der Schulden selbst mehr Geld zur Verfügung zu haben. Die Investmentbanken, die eigentlich außer sich selbst keine Kunden haben und denen es nur darum geht, aus Geld sehr viel mehr Geld zu machen, erfanden dafür immer neue Glücksspiele, die sie als „Handel mit Derivaten“ bezeichneten.

§8 Nicht nur die Kunden der Geschäftsbanken gaben Geld aus, das sie nicht hatten. Die Regierungen der Staaten handelten ebenso und häuften im Lauf der Jahre einen gigantischen Schuldenberg auf die Schultern ihrer Bürger.

§9 Seit das Geld der Menschen keinen objektiven Wert mehr hat, hat es nur noch einen subjektiven. Wenn die Menschen glauben, dass es sich lohnt, viel davon zu besitzen, kaufen sie mehr davon: Die Nachfrage steigt, und mit der Nachfrage steigt der Preis. Wenn sie am Wert des Geldes zweifeln, verkaufen sie es: Die Nachfrage bricht ein, und ohne Nachfrage fällt der Preis in den Keller.

§10 Als deutlich wurde, dass die mittellosen Kunden der Geschäftsbanken ihre ihnen aufgedrängten Kredite nie würden zurückzahlen können und dass die Glücksspiele der Investmentbanken nichts anderes sein konnten als ein Nullsummenspiel, verkauften die Menschen ihre Beteiligungen an den Banken. Die Banken waren bankrott.

§11 Die Banken durften aber nicht bankrott sein, beschlossen die Regierungen. Wenn es die Banken nicht mehr gab, bei wem sollten sie selbst künftig Schulden machen, um ihre Bürger bei Laune zu halten und die nächsten Wahlen zu gewinnen? Außerdem wussten die Regierungen, dass viele Bürger ihr erspartes Geld den Banken anvertraut hatten. Diese Einlagen durften nicht verloren sein, wollte man den sozialen Frieden bewahren.

§12 Die Regierungen retteten also ihre Banken und andere Regierungen, die noch mehr Schulden gemacht hatten als sie selbst. Weil es an Geld mangelte, senkten sie die Zinsen und ließen neues Geld drucken.

Das Vertrauen der Menschen in den Wert des Geldes nahm wieder zu. Sie wollten mehr davon haben.

Das letzte Wort soll mein geschätzter Kollege Paul Sweezy haben:

„Wir sehen nun genau wieso, obwohl jeder die zunehmend abscheulicheren Exzesse der finanziellen Explosion bedauert, nichts passiert – oder gar ernsthaft vorgeschlagen wird – um sie unter Kontrolle zu bringen. Das Gegenteil ist der Fall: Jedes Mal, wenn eine Katastrophe droht, springen die Autoritäten bei, um das Feuer zu löschen – und verschütten während dessen noch mehr Benzin für das nächste Auflodern der Flammen. Der Grund hierfür ist einfach der, dass, wenn die Explosion unter Kontrolle gebracht würde… die gesamte Ökonomie ins Chaos stürzte. Die Metapher von dem Mann, der einen Tiger reitet, trifft diesen Prozess haargenau.“

Bären und Wölfe

„Bärdel, es wäre gut, wenn…“

„Bärdel, sollten wir nicht mal…“

„Bärdel, was denkst du über..“

„Bärdel, jetzt ist es aber höchste Zeit, dass…“

Bärdel

Bärdel hörte diese Ansinnen seit Wochen. Sie wurden immer häufiger geäußert in immer kürzeren Abständen, seit Bärenleben aus der Winterruhe erwacht war. Es war offensichtlich zwecklos, sie zu ignorieren, was er versucht hatte. Er seufzte und gab nach.

„Na gut, wir werden über die Rückkehr der Bären nach Europa sprechen. Und über die Rückkehr der Wölfe. Aber glaubt bloß nicht, dass…“

Seine Einwände gingen in allgemeinem Jubel unter.

„Wir reden heute Abend darüber. In der Höhle. Ich gehe davon aus, dass sich bis dahin jeder von Euch eingehend über die aktuelle Lage informiert hat.“

In der ersten Märzhälfte ist der dehländische Tag fast schon wieder zwölf Stunden lang. Das heißt aber auch, dass die Nacht kaum länger als zwölf Stunden ist, und diese zwölf Stunden kosten die schlafsüchtigen Bären gerne aus. Also trafen sich alle Bärenlebenbewohner schon mit dem Einsetzen der Dämmerung in der Haupthöhle. Natürlich waren auch Ramses und Piggy dabei. Athabasca galt inzwischen als einheimische Bärin, Nanuk, ihre Zöglinge, hielten sich an ihrer Seite. Organisatorische Schwierigkeiten gab es nur mit Oicy, der es in der Höhle natürlich viel zu warm war. Sie schwamm in ihrem Eissee herum, und damit sie alles mitbekam und auch mitreden konnte, hatte Manfred ihr eine Mikrofonleitung gelegt.

Bärdel sah sich um und stellte fest, dass alle vollzählig versammelt waren. Fast alle – aber das änderte sich in diesem Moment. Mit einer riesigen roten Fahne, in der er sich ständig verhedderte, marschierte Kulle herein und sang dazu:

„Bären zur Sonne zur Freiheit,

Wölfe zum Lichte empor!

Hell aus dem dunklen Vergangnen

Leuchtet die Zukunft hervor.“

Die Versammlung kommentierte den Auftritt mit zustimmendem Gebrumm und Gebrüll, und Kulle setzte sich auf seinen Platz, wobei er bescheiden tat.

Kulle, bescheiden

Bärdel hatte nicht applaudiert. Er horchte in sich hinein und traf hinter seiner Stirn alte lästige Bekannte: Kopfschmerzen. Wenn die sich erst einmal eingenistet hatten, wurde er sie so schnell nicht wieder los.

Was sollte er nur tun? Die Stimmung war eindeutig gegen seine Bedenken. Da wurde ihm unerwartete Hilfe.

„Sagt mal, ihr seid wohl vom Homo sapiens getreten? Oder hat euch ein Neanderthaler geknutscht?“ Athabacsa war voll in Fahrt.

Atti, zornig

„Was das Zusammenleben von Bären und Menschen angeht, so bin ja wohl ich die Expertin und nicht ihr, einverstanden?

In Kanada, wo ich geboren bin, leben ungefähr 300.000 Schwarzbären. Dazu kommen höchstens 30.000 Grizzlys, also Bären wie wir. Wie die meisten von uns jedenfalls. Nichts für ungut, Oicy. In Kanada leben drei Menschen auf einem Quadratkilometer, und trotzdem kommt es immer wieder zu Zusammenstößen und zu Tötungen. Keine Tötungen von Menschen, nicht, dass wir uns missverstehen. Und wie viele Menschen pro Quadratkilometer gibt es in Dehland?“

Langes Schweigen.

„227“, brummte Kulle schließlich zerknirscht.

„Eben!“ sagte Atti und rollte sich wieder gemütlich zusammen. Ihr Zorn war verraucht.

Niemand sagte etwas.

Bärdel war erleichtert. „Möchte jemand dazu etwas sagen?“ fragte er.

Del meldete sich zu Wort. Er war ehrgeizig und ärgerte sich schon lange darüber, dass die Eisbärenzwillinge als die intellektuellen Überflieger schlechthin galten, seit sie in Bärenleben aufgetaucht waren.

„Ich habe recherchiert und herausgefunden, dass es in Dehland überhaupt keine Bären gibt – außer uns natürlich. Wenn Bären aus den Karpaten in die Alpen einwandern, werden sie beim ersten Fehlverhalten gejagt. Man nennt sie Problembären, wobei ich wirklich nicht weiß, wo es bei Bären ein Problem geben soll!“

„Und Homo Schappi Schappi gibt ihnen noch nicht mal einen Namen, sondern bezeichnet sie mit Nummern -– erst kürzlich wurde in der Schweiz M13 erschossen!“ Nuk wollte nicht akzeptieren, dass Del allein brillierte.

Eisbären

„Es klingt, als wäre die Bärendiskussion hiermit abgeschlossen!“ quiekte Piggy. „Und was ist mit den Wölfen? Ich muss zugeben, dass ich vor denen Angst habe!“

Piggy

„Du brauchst keine Angst zu haben,“ mischte sich Tumu ein. „Du wirst gleich sehen, warum. Ich habe einen Gast eingeladen, wenn ihr erlaubt!“

Da niemand widersprach, stieß Tumu einen merkwürdigen Laut aus, der gar nichts Bärisches an sich hatte. Es war ein Heulen, und sofort wurde ihr auf gleiche Weise geantwortet.
„Er wird in ein paar Minuten hier sein, und niemand muss sich vor ihm fürchten.“

Da Tumu zweimal betonte, dass der Fremde keinen Anlass zur Besorgnis geben würde, spannte Bärdel seine Muskeln an, und etliche andere Bären taten es ihm gleich. Man konnte ja nie wissen…

Am Höhleneingang war nichts zu hören, aber ein Schatten erschien und bewegte sich vorwärts in den Innenraum. Langsam. Vorsichtig. Aus dem Schatten entwickelte sich ein Körperumriss. Langer Kopf, spitze Ohren, lange Schnauze. Buschiger Schwanz am Ende eines schlanken, zum Laufen gemachten Torsos. Die Rute war nicht eingezogen, aber auch nicht hoch erhoben. Der Besucher war seiner nicht sicher, aber auch nicht ängstlich. Vier kräftige Läufe.

Piggy schrie.

Luca Toni

„Ruhig!“ sagte Tumu. „Das ist Toni. Er lebt mit seiner Familie seit ein paar Wochen hier in der Gegend. Ich habe ihn gebeten, uns heute Abend zu besuchen.“

„Willkommen,“ begrüßte Bärdel den Wolf. „Wir freuen uns, dich in Bärenleben zu sehen. Ich bin Bärdel.“

„Seit wann freut sich der Bär, den Wolf zu treffen?“ knurrte der Neuankömmling. Wir teilen dasselbe Habitat und sind deshalb unversöhnliche Konkurrenten! Bin ich bei einer Versammlung von Heuchlern zu Gast?“

„Du bist zu Gast bei einer Versammlung von Tieren, die zusammenhalten gegen das schlimmste Raubtier der Welt, den Homo sapiens sapiens. Der bedroht auch dich, wenn wir recht informiert sind. Wir sind nicht länger Feinde, sondern sollten zusammenstehen gegen einen gemeinsamen Feind!“

Der Wolf hob den Kopf, auch die Schwanzspitze bewegte sich deutlich nach oben. „Wir Wölfe sind deutlich besser aufgestellt als ihr Bären! Mindestens zwanzig Rudel leben in Dehland. Und ihr versteckt euch in einem geheimen Dorf!“

„Ja,“ meinte Athabasca, recht hast du.“ Sie richtete sich wieder auf.

Der Wolf hörte genau hin – klang die Stimme der Bärin nicht sarkastisch?

„Recht hast du!“ bekräftigte Athabasca, „wir verstecken uns. Ihr solltet das auch tun!“

„Unsinn!“ behauptete Toni und reckte die Spitze seiner Rute so weit in den Himmel, dass sie seinen Rist um das Doppelte überragte. „Wir werden geliebt!“

„Natürlich werdet ihr geliebt – vom NABU, vom WWF, vom BUND, und wie die Ökofreaks sonst noch heißen. Aber hast du dir auch mal Volkes Stimme angehört?“

„Das Tier kenne ich nicht,“ sagte der Wolf unsicher.

„Besser so – es handelt sich nicht um ein Tier, sondern um eine Bestie. Sie nennt sich selbst ,Gesunder Menschenverstand‘. Ich gebe dir ein paar Kostproben.

Schon in der Bibel seid ihr die Bösen: ,Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.‘ Matthäus 7,15.

,Reißend‘ seid ihr immer: Gierig und maßlos und grausam. Bei Goethe heißt die Wölfin ,Gieremund‘.

In Grimms Volksmärchen taucht der böse Wolf immer wieder auf, er verschlingt Tiere und Menschen ganz, was es möglich macht, seine Beute zu retten, indem man ihm den Bauch aufschlitzt und mit Wackersteinen wieder füllt – und der dumme Wolf bemerkt den Betrug noch nicht einmal und wacht nicht mehr auf, bis man ihn in einem Brunnen ersäuft.

In einem aktuellen Internetforum gibt es als Antwort auf die Frage: ,Brauchen wir Bären und Wölfe in Dehland?‘ wiederholt die Antworten ,abknallen‘ und ,SSS – schießen, schaufeln, schweigen‘.

Noch Fragen?“

Die Schwanzspitze ruhte kraftlos auf dem Boden. „Und was jetzt?“ fragte Toni unsicher.

„Ganz einfach – ihr macht es wie wir. Nein, nicht ganz so schlimm, ihr braucht euch nicht unsichtbar zu machen. Die Menschen wissen ja, dass ihr da seid. Von uns wissen sie es nicht.

,Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und nicht arglos wie die Tauben. Nehmt euch vor den Menschen in acht!‘

Steht übrigens auch bei Matthäus, so ungefähr jedenfalls. Ernährt euch von Rehen und Hirschen und vor allem Wildschweinen, das wird die Menschen freuen. Und lasst Kälber und Schafe in Ruhe, dann wird euch nichts geschehen.“

„Und – und – dürfen wir euch gelegentlich besuchen, um uns bei euch Rat zu holen?“

„Dagegen haben wir bestimmt nichts!“ sagte Bärdel entschieden. Sein Kopf war wider Erwarten schmerzfrei.

„Dann ist ja alles gut,“ sagte Kulle. „Wollen wir das schöne Arbeiterlied nicht zu Ende singen, um den Abend zu beschließen?“

„Nein, das wollen wir nicht!“ widersprach Tumu energisch. „Das schöne Arbeiterlied‘ ist nämlich ein poetisches Greuel, und es hat überhaupt nichts mit unserer Situation zu tun. Darf ich einfach mal kommentarlos zitieren?

,Seht wie der Zug von Millionen

endlos aus Nächtigem quillt

bis eurer Sehnsucht Verlangen

Himmel und Nacht überschwillt

Brüder, in eins nun die Hände

Brüder, das Sterben verlacht

ewig der Sklaverei ein Ende

heilig die letzte Schlacht.‘

Zitat Ende.“

„Buh!“ machten fast alle Bären, der Frosch und das Schwein. Auch der Wolf schloss sich an.

„Wir schlafen einfach so. Ganz heimlich.“

Kulle über „right2water“

Kulle

DLF: Kulle, was sagen Sie zum Erfolg der EU-weiten Initiative „right2water“?

Kulle: Was ist los?

DLF: Kulle, hier ist der Dehlandfunk! Sie haben uns gestern ein Telefoninterview um 7.20 Uhr zu diesem Thema zugesagt!

Kulle: Habe ich das? Ich muss außer mir gewesen sein. Ein Bär, der etwas auf sich hält, gibt kein Bettkanteninterview – abgesehen davon, dass ein Bär, der etwas auf sich hält, nicht in einem Bett schläft. Aber jetzt bin ich sowieso wach – worum geht es, sagen Sie?

DLF: Es geht um die Initiative „right2water“. In Dehland haben inzwischen eine Million Menschen sich mit ihrer Unterschrift dafür eingesetzt, dass Wasser ein Menschenrecht ist und deshalb nicht durch private Anbieter verkauft werden darf. Die Wasserversorgung muss durch die öffentliche Hand erfolgen, fordern sie.

Kulle: Dass ich nicht kichere!

DLF: Sie irritieren mich! Worüber müssen Sie kichern?

Kulle: Immer wieder darüber, dass die Menschen nicht merken, was sie anrichten, aber sich ex post darüber empören, was sie angerichtet haben. Aber lassen Sie uns so früh am Morgen nicht grundsätzlich werden – es ist 7.21 Uhr.

DLF: Was haben die Menschen denn angerichtet?

Kulle: Sie werden also doch grundsätzlich. Die Menschen haben alles angerichtet.

DLF: Können Sie das differenzieren?

Kulle: Natürlich. –

DLF: Tun Sie es bitte auch?

Kulle: Guter Mensch, es ist jetzt 7.22 Uhr. In acht Minuten laufen auf Ihrem Sender die Nachrichten, das ist ehernes Gesetz. Um 7.29 Uhr würgen Sie jeden Interviewpartner ab, auch wenn er Ihr persönlicher Gott wäre. Soll ich Ihnen in sieben Minuten die Welt erklären?

DLF: Inzwischen sind es nur noch sechs Minuten. Aber Sie können das.

Kulle: Vielen Dank für Ihr Vertrauen. – – – – – –

DLF: Kulle?

Kulle: Keine Sorge, ich bin noch da. Ich brauchte nur eine Minute, um mir zu überlegen, wie ich die Welt in fünf Minuten strukturiert und schlüssig erklären kann.

Es geht los.

Wir leben im Anthropozän. Das bedeutet, dass die Menschen den Planeten Erde nach ihrer Maßgabe verändert haben, und auch, dass sie glauben, bestimmen zu können, wie „richtiges“ Leben auszusehen hat.

Von nur wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es seit sehr kurzer Zeit überwiegender menschlicher Konsens, dass das Wirtschaftsleben am besten kapitalistisch organisiert wird.

Wie auch immer die Menschen ihr ökonomisches Leben im Lauf der Zeit organisiert haben, es war gekennzeichnet durch Mangel, und der Mangel führte – und führt -– immer wieder zu Gewalt.

Es ist gerade 200 Jahre her, dass mit der ersten Formulierung von Menschenrechten versucht wurde, dieser Gewalt Grenzen zu setzen. Man forderte Freiheit, das Streben nach Glück, körperliche Unversehrtheit. Genau betrachtet forderte man Rechte, die Schutz vor Extremsituationen gewähren sollten: vor Versklavung, Fremdbestimmung, Körperverletzung und Schlimmerem.

Es ist erstaunlich, dass wesentliche tierische – und damit menschliche – Grundbedürfnisse in diesem Katalog der französischen Revolution und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung nicht auftauchen.

Wo sind das Recht auf Nahrung? Das Recht auf atembare Luft? Das Recht auf schützenden Wohnraum? Das Recht auf Fortpflanzung?

Es gibt sie nicht, und das hat gute Gründe: Gäbe es sie, könnte niemand mit ihrer Bereitstellung Profit erwirtschaften.

Wer regt sich darüber auf, dass Brot bezahlt werden muss? Dass für eine Wohnung Miete entrichtet werden muss? Wer sagt schon: ,La propriété, c’est le vol‘ (Eigentum ist Diebstahl), außer dem ehrenwerten Jacques Pierre Brissot, dem Proudhon, der auch kein Eigentum akzeptierte, später den Spruch geklaut hat?

Wie spät ist es eigentlich?

DLF: 7.28 Uhr.

Kulle: Das reicht.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts merkt die Menschheit allmählich, dass sie die Erde versaut hat. Auch Wasser, das Grundnahrungsmittel schlechthin, ist knapp geworden und wird noch knapper werden. Aber kann jemand, der den Kapitalismus für die beste aller Wirtschaftsformen hält, sich glaubhaft darüber aufregen, dass Konzerne mit schönen Namen wie ,Veolia‘ das tun, was alle Konzerne wollen, nämlich Geld verdienen? Dass sich Konzerne den Teufel darum scheren, ob ihr Produkt etwas taugt, wenn nur die Bilanz stimmt?

Ich schätze, es ist jetzt 7.29 Uhr.

Ich komme also zum Schluss.

Eine Initiative wie „right2water“ mag in entwickelten Industriestaaten Erfolg haben, für eine Weile jedenfalls. Im größten Teil der Welt dagegen bestimmen private lokale Wasserversorger und Konzerne wie Nestlé den Markt, die schlichtes H2O unter Namen wie ,Purelife‘ teuer feilhalten.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Menschen für ihre Atemluft werden zahlen müssen.

DLF: Kulle, wir danken Ihnen für das Interview. Es ist gleich 7.30 Uhr. In wenigen Sekunden folgen die Nachrichten…

Mali oder die Ironie der Geschichte

“Onkel Kulle?”

Kulle

Es war ein klarer Wintertag in Bärenleben, Kulle fror in seinem braunen Pelz, denn er studierte lieber, als sich der Winterruhe in der gemütlichen Höhle hinzugeben. Na und Nuk, die Eisbärenzwillingsschwestern, lebten dagegen bei solchen Temperaturen auf – ihretwegen hätte es ruhig noch deutlich kälter sein können.

Kulle

“Onkel Kulle, dürfen wir Dich was fragen?”

Natürlich durften sie. Kulle tat nichts lieber, als Fragen zu beantworten. Je schwieriger, desto besser.

“Onkel Kulle, wir haben im Internet und in der Zeitung gelesen, dass die französische Armee in Mali einmarschiert ist. Weil da islamistische Fundamentalisten oder so den Menschen verboten haben zu singen. Oder so. Und wir verstehen das alles nicht.”

“Wisst ihr, wo und was Mali ist?”

“Ja.”

“Wisst Ihr auch, was islamistische Fundamentalisten sind?”

“Nicht so richtig.”

“Hat Atti Euch genug über Rohstoffe und Ökonomie beigebracht, so dass Ihr Euch fit fühlt?”

“Tante Atti hat uns ordentlich getriezt.”

“Und wie alt seid Ihr jetzt?”

“Wir haben nicht gezählt, ehrlich gesagt. Fünf. mindestens.”

“Gut. Dann ist es jetzt Zeit, dass Ihr etwas über Mali lernt. Und dass Ihr lernt, gegen den Strich zu denken.”

“Das zweite verstehen wir nicht, Onkel Kulle. Tante Atti hat uns nur gesagt, dass wir nicht auf den Strich gehen sollen. Denken hat sie in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.”

Gute alte Athabasca, dachte Kulle. Auf welchen Strich sollten junge Eisbärinnen in Dehland schon gehen?

“Ilam. Lami. Mila”, sagte Kulle.

“Hä?” machte Na.

“Hier zeigt sich wieder die intellektuelle Überlegenheit der Erstgeborenen!” freute sich Nuk und reckte ihre Nase in die Luft. “Das sind alles Anagramme für ,Mali‘.”

“Stimmt!” sagte Kulle. “Wer Anagramme knacken kann, der kann vorwärts und rückwärts denken, der fällt nicht auf eine falsche Reihenfolge rein und kann auch Lügen erkennen. Der kann gegen den Strich denken. Wer das kann, erkennt auch Ironie, denn Ironie arbeitet mit Falschaussagen. Ironie verkehrt Fakten in ihr Gegenteil. Das ist bestimmt neu für Euch, oder?”

“Es ist neu, Onkel Kulle.” Auch Nuk war jetzt recht kleinlaut. “Und – ist das nicht schrecklich schwer?”

Kulle schob die beiden Kinder in die Richtung der Schlafhöhle, machte selbst einen kurzen Umweg zur Küche, folgte dann und suchte ihnen allen dort ein gemütliches Eckchen. “Wird schon werden,” sagte er.

Nanuk waren begeistert über die Haselnüsse mit Fischgeschmack, die Kulle mitgebracht hatte, und erzählten beim Knabbern bereitwillig, was sie wussten.

“Und welche Regierung hat Mali?” erkundigte sich Kulle, nachdem ihnen die Puste ausgegangen war.

“Vor einem Jahr gab es einen Militärputsch. Mali ist eine Militärdiktatur.”

“Also ist die französische Armee in Mali einmarschiert, um eine Diktatur zu verteidigen?”

“Onkel Kulle, jetzt spinnst Du aber. Das kann doch nicht sein, dass…” Na hielt sich die Pfote vor den Mund, erschrocken über ihre Unhöflichkeit dem Älteren gegenüber. In Bärenleben gab man viel auf das Senioritätsprinzip.

Kulle zeigte keine Reaktion, er wartete einfach ab. Na schielte hilfesuchend zu Nuk. Aber ihre “große” Schwester ließ sie, wie so häufig, auflaufen.

Cool sagte sie: “Das kann vielleicht doch sein. Wenn die Fundamentalisten noch viel schlimmer sind als die Diktatoren.”

“Sie sind wahrscheinlich wirklich viel schlimmer”, kommentierte Kulle. “Sie haben nicht nur Musik, Tanzen und Rauchen verboten, sie verbieten allen Frauen alles, außer ihrem Mann zu gehorchen. Aber brutale Gewalt gibt es in vielen Weltgegenden, und die französische Armee lässt das genauso kalt wie die dehländische Regierung. Die hilft den Franzosen nämlich. Warum also gerade Mali?”

Na und Nuk zermalmten geräuschvoll die letzten beiden Haselnüsse. Kulle gönnte sie ihnen gerne – er bevorzugte andere Geschmacksrichtungen. Danach wurde es sehr still.

“Rohstoffe?” Kulle gab ein Stichwort.

“Na klar, Uran!” Das kam wie aus der Pistole geschossen von beiden. “Frankreich fördert Uran im Niger, das ist gleich nebenan. Frankreich lebt von Strom aus 58 Atomreaktoren, und Frankreich ist Nuklearmacht.” Nas genauere Erklärung sollte ihren Fauxpas vergessen machen.

“Gut!” lobte Kulle. “Das ist die Antwort auf die Frage nach dem ,Warum‘ des Einmarsches. Ein anderes ,Warum‘ gibt es aber auch noch: Warum sind die Fundamentalisten so gut bewaffnet, dass sie den hochgerüsteten Franzosen tatsächlich Mühe bereiten? Das steht zwar auch in den Zeitungen, aber nur in den besseren. Soll ich‘s Euch erklären?”

“Ja, bitte!” Anders als Menschenkinder konnte die Jugend in Bärenleben nie genug vom Lernen bekommen.

“Algerien liegt im Norden Malis, das wisst Ihr ja. Der Staat östlich von Algerien ist Libyen. Die Grenzen stehen in der menschenleeren Sahara weitgehend auf dem Papier. Man kann sich in dieser Wüste frei bewegen, wenn man dafür ausgerüstet ist.

Im Oktober 2011 wurde in Libyen der Diktator Muammar-el-Gaddafi gestürzt und getötet. Um seine Herrschaft zu festigen, hatte er ein riesiges Waffenarsenal angehäuft. Viele der Nomaden in seinem Land, die Tuareg, bezahlte er, damit sie für ihn kämpften. Als Gaddafi tot war, bekamen sie kein Geld mehr, aber sie wussten, wo die Waffen waren, und sie nahmen sie. Sie gingen dahin, wo man mit Kämpfen auch weiterhin überleben konnte. Zum Beispiel in Mali.

Es gibt in den nordafrikanischen Staaten auch noch andere gut organisierte Krieger, Krieger für den Islam, wie sie behaupten. Und es gibt Staaten im Nahen Osten, deren Regierungen wollen, dass der Islam siegt. Sie wollen einen Islam, der nur die eigene Religion gelten lässt und alles andere verfolgt. So ein Staat ist Saudi-Arabien. Saudi-Arabien unterstützt die Kämpfer für den Islam in Nordafrika mit Waffen.”

“Aber mit Saudi-Arabien ist Dehland doch befreundet!” Na konnte ihren Mund schon wieder nicht halten.

Diesmal nickte Kulle anerkennend. “Du hast gut aufgepasst! Dehland ist mit Saudi-Arabien so gut befreundet, dass es dem Land viele Waffen verkauft hat – Waffen im Wert von 30 Millionen Euro. Riad möchte noch viel mehr Produkte der dehländischen Rüstungsindustrie, vor allem Panzer.”

“Heißt das etwa…” Nuk unterbrach sich selbst. “Nein, das kann nicht sein!”

“Man soll auf dieser Welt nie etwas ausschließen, wenn es um Menschen geht”, kommentierte Kulle.

“Heißt das etwa, dass die französischen und vielleicht auch bald die dehländischen Soldaten gegen Islamisten kämpfen, die Waffen haben, die Dehland verkauft hat?”

“Genau das heißt es.”

“Das ist aber komisch!”

“Ja, komisch ist es schon, aber – könnt Ihr darüber lachen?”

“Natürlich nicht, Onkel Kulle!”

“Recht habt Ihr: natürlich nicht. Aber eine erste Annäherung an Ironie ist Euch gelungen: Das, was Dehland erwartet hat, nämlich dass die Saudis mit ihren dehländischen Waffen auf Sanddünen schießen oder Löcher bohren, um ihr Öl zu fördern, oder zumindest die bösen Iraner bekämpfen, ist nicht eingetreten. Stattdessen – aber das wisst Ihr ja jetzt. Das nennt man Ironie der Welt oder Ironie der Geschichte.”

“Das ist aber schwierig, Onkel Kulle!”

“Stimmt! Aber Ihr seid kluge Mädchen, Ihr seid erst fünf oder sechs Jahre – Menschenkinder verstehen Ironie erst, wenn sie doppelt so alt sind. – Und jetzt singen wir ein Lied, wenn Ihr mögt, sozusagen gegen die Islamisten, die das Singen verbieten wollen. Habt Ihr Lust?

“Au ja!”

“Schön, sagte Kulle, zückte sein Smartphone und spielte ihnen den Song vor.

He is five foot two,

And he’s six feet four,

He fights with missiles and with spears,

He’s all of thirty-one,

And he’s only seventeen,

He’s been a soldier for a thousand years.

 

He’s a Catholic, a Hindu,

An atheist, a Jain,

A Budhist, and a Baptist and a Jew,

And he knows, he shouldn’t kill,

And he knows, he always will,

Killing for me, my friend, and me for you.

 

And he’s fighting for Canada,

He’s fighting for France,

He’s fighting for the USA

And he’s fighting for the Russians,

He’s fighting for Japan,

And he thinks we’ll put an end to war this way.

 

And he’s fighting for democracy,

He’s fighting for the Reds,

He says it’s for the peace of all,

He’s the one who must decide,

Who’s to live and who’s to die,

And he never sees the writing on the wall.

 

But without him, how would Hitler

Have condemned him at Lw’ow,

Without him Cesar would have stood alone,

He’s the one, who gives his body

As a weapon of the war,

And without him all this killing can’t go on.

 

He’s the universal soldier,

And he really is to blame,

His orders come from far away, no more,

They come from here and there,

And you and me and brothers,

Can’t you see,

This is not the way we put the end to war.

 

“Das ist aber ein trauriges Lied, Onkel Kulle”, sagte Nanuk.

“Das ist es!” bestätigte Kulle.

Anmerkungen zur Demokratie

von PD Kulle

PD Kulle

Inhalt

  1. Vorbemerkung
  2. Mögliche sinnvolle gesellschaftliche Regelwerke
  3. Die identitäre Gesellschaft
  4. Die Untertanengesellschaft
  5. Die Gesellschaft konkurrierender Interessen
  6. Einige Überlegungen zur Geschichte der Demokratie
  7. Die athenische Demokratie
  8. Die römische Republik
  9. Die repräsentative Demokratie
  10. Einige Überlegungen zur Zukunft der Demokratie
  11. Conclusio

1. Vorbemerkung

Lebewesen in einer Gemeinschaft bedürfen einer Ordnung, welcher auch immer.

Wir werden im Folgenden dieses Problem im Rahmen der Fauna, insbesondere in Bezug auf Homo sapiens sapiens betrachten.

Staatenbildende Insekten lösen diese Aufgabe auf eine scheinbar einfache Weise, nämlich genetisch und durch unterschiedliche Nahrungsbedingungen: In einem Bienenvolk zum Beispiel ist klar, wer Drohne, wer Königin und wer Arbeiterin wird, wer also welche Aufgabe zu übernehmen hat und wer mit welcher Lebenserwartung zu rechnen hat. Keine der Bienen denkt über ihre Rolle nach.

Bei Lebewesen, die zur permanenten Ich-Wahrnehmung und damit potenziell zur Rollenambiguität fähig sind, eröffnen sich dagegen vielerlei Möglichkeiten, sich zu organisieren.

Sprechen wir über den Menschen.

Das Faustrecht etwa stellt eine Ordnung dar, wenn auch eine der Ordnung der unökonomischen Unordnung; es führt dazu, dass das Leben der menschlichen Individuen in einer solchen Gemeinschaft oft endet, bevor sie in der Lage waren, sich fortzupflanzen und ihre Arbeitskraft gesellschaftlich sinnvoll nutzbar zu machen.

Um das lang- oder zumindest mittelfristige Überleben einer Ansammlung potenzieller Individuen zu ermöglichen, braucht eine Gesellschaft bessere Regeln.

2. Mögliche sinnvolle gesellschaftliche Regelwerke

Auf der Basis einer prinzipiellen Entscheidung, die häufig, wie so viele wichtige andere Entscheidungen auch, “ dem Rücken der Menschen“ getroffen wird 1, können zwei antagonistische Organisationsformen entstehen: Die Gesellschaftsglieder nehmen die Gestaltung ihres Gemeinwesens selbst in die Hand, oder sie delegieren sie für eine unbeschränkte oder für begrenzte Zeit.

3. Die identitäre Gesellschaft

Wir nennen eine egalitäre Gesellschaft identitär, in der die Individuen aus wohl verstandenem Egoismus das Wohl des Gemeinwesens über ihr eigenes Wollen stellen. Es versteht sich, dass es sich insofern um eine kommunistische Gesellschaft handelt, als die Eigentumsverhältnisse aller von ähnlicher Natur sind 2. Nennenswerte Besitzunterschiede generieren Interessensunterschiede, Egozentrismen gewinnen die Oberhand.

4. Die Untertanengesellschaft

In der Untertanengesellschaft existieren mindestens zwei Klassen, Kasten, Stände – die Nomenklatur ist beliebig. Von der gesellschaftlich notwendigen Arbeit der Masse der geknechteten Untertanen lebt die parasitäre Schicht, wobei der herrschende Apparat sich gegenüber den Beherrschten in einem Individuum wie etwa einem (Erb-)Monarchen oder einem Diktator inkarnieren, aber auch als Organisation auftreten kann 3.

5. Die Gesellschaft konkurrierender Interessen

In einer solchen Gesellschaft existieren sehr unterschiedliche Besitzverhältnisse. Andererseits herrscht Rechtsgleichheit, wenn nicht für alle, dann zumindest für eine relevante Gruppe der Mitglieder der Gemeinschaft. Aufgrund der Prämisse der Rechtsgleichheit wird es ermöglicht, einzelnen Gruppen für eine festgesetzte Zeit den Auftrag zu erteilen, das Gemeinwesen auszugestalten. In der Regel wird dieser Auftrag erteilt, indem von der Gesellschaft dazu Berechtigte Repräsentanten wählen 4.

Homo sapiens sapiens bezeichnet diese politische Organisationsform als Demokratie 5.

6. Einige Überlegungen zur Geschichte der Demokratie

Gemessen an der Dauer der Existenz menschlicher Gesellschaften ist die Demokratie eine Erscheinung des letzten Augenblicks 6. Die sogenannten ersten Hochkulturen in Asien und Afrika kannten dergleichen nicht, erst in den griechischen Poleis 7 finden sich Ansätze dazu.

7. Die athenische Demokratie

Zentrales Element der Demokratie in Athen war die Volksversammlung, die um 480 v.u.Z. aus ca. 30000 Vollbürgern bestand 8. Sie tagte 40 Mal im Jahr, fällte alle Entscheidungen und stellte das oberste Gericht. Nahezu alle politischen Ämter wurden ausgelost, die Amtsdauer betrug nur ein Jahr.

8. Die römische Republik

Um 133 v.u.Z. bildeten 300.000 Patrizier und Plebejer die Volksversammlung 9. Anders als in Athen verboten sich angesichts dieser Zahl Diskussionen. Die Rolle der Beamten war wesentlich gewichtiger als in Athen, die Möglichkeit des Machtmissbrauchs schon in der Verfassung festgeschrieben: Bei Gefahr für den Staat konnte für sechs Monate ein Diktator mit unbeschränkten Vollmachten berufen werden, der ein Heer aufstellte und niemandem Rechenschaft schuldig war 10.

9. Die repräsentative Demokratie

“Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ 11

Das ist der Kernsatz der parlamentarischen Demokratie und zugleich die Bankrotterklärung der Volksherrschaft. Die Rolle des “Souveräns“ 12
in dieser politischen Organisationsform reduziert sich nämlich in der Regel darauf, in regelmäßigen Abständen die Katze 13 im Sack zu wählen: Einzelkandidaten und/oder politische Parteien, die nach der Wahl ihre politischen Sachentscheidungen nach eigenem Gusto treffen, ohne sich an Positionen halten zu müssen, die sie ggf. vor der Wahl eingenommen haben.

10. Einige Überlegungen zur Zukunft der Demokratie

Ist die Demokratie, gerade einmal zweitausendfünfhundert Jahre alt, zukunftsfähig, noch zeitgemäß oder bereits überholt?

  • Wie die Verfechter aller verschiedenen politischen Organisationsformen gehen auch die Demokratietheoretiker davon aus, dass ein Primat der Politik existiert. Angesichts der Dominanz der “Märkte“ 14 und der zunehmenden Bedeutung supranationaler Organisationen ist das zweifelhaft. Zwar lässt sich Demokratie prinzipiell auch in nach Milliarden zählenden Menschenagglomerationen organisieren, die Idee der politischen Repräsentanz wird dabei allerdings ad absurdum geführt.
  • Politische Entscheidungen in einer Untertanengesellschaft können schnell gefällt werden, demokratische Weichenstellungen bedürfen der Muße, die in Anbetracht der Informationsüberflutung, der permanenten Kommunikation und nicht zuletzt wegen des Drucks der “Märkte“ selten gegeben ist.
  • In einer ständig an Komplexität zunehmenden Menschenwelt setzen sinnvolleEntscheidungen 15 Kenntnisse und Kompetenzen voraus, über die nur wenige Spezialisten verfügen. Immer häufiger wird deshalb die Richtlinienkompenz der Politik de facto Lobbyisten oder nicht demokratisch legitimierten Kommissionen überlassen.
  • Die am häufigsten praktizierte repräsentative Demokratie hangelt sich kurzatmig von Wahltermin zu Wahltermin. Unpopuläre, wenn auch objektiv notwendige Maßnahmen unterbleiben, um die Gunst der Wähler nicht zu verlieren. Es erscheint deshalb unwahrscheinlich, dass demokratisch verfasste Gesellschaften mit der unzweifelhaft stattfindenden Klimakatastrophe werden umgehen können. Die Verwerfungen, die die Klimaveränderung mit sich bringt, werden so groß sein, dass Demokratie und Rechtsstaat in den Hintergrund gedrängt werden, vielleicht gar in Vergessenheit geraten.
  • Es gibt scheinbar überzeugende Gegenmodelle zur Demokratie, zum Beispiel die autoritär regierte, aber wirtschaftlich prosperierende Volksrepublik China 16. Der weltweit zumindest offiziell 17 die Demokratie auf dem Silbertablett vor sich her tragende Staat, die Supermacht USA, ist dagegen eifrig damit befasst, sich abzuschaffen.

11. Conclusio

Vielleicht hat der Mensch Winston Churchill Recht, wenn er sagt:

„Democracy is the worst form of government except all those other forms that have been tried from time to time.“ 18

Wir Bären bezweifeln aus den oben genannten Gründen, dass diese Politikform Zukunftschancen hat.

Also bleibt auch hier nur:

Phhhhhhhhhfffffffffftttttt!


Fußnoten:

    1. vgl. das umfangreiche Werk von Karl Marx
    2. Genaueres findet der interessierte Leser bei Jean-Jacques Rousseau im „Contrat social“. Da ein Gemeinwesen, in dem die „volonté générale“ alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen bestimmt, zwar eine tatsächliche Volksherrschaft konstituiert, in der historischen Realität aber bisher nicht aufgetreten ist, bleibt sie im folgenden Abriss unberücksichtigt.
    3. Dass die Kommunistische Partei der Sowjetunion nicht die Partei des in diesem Staat herrschenden Proletariats war, sondern die Partei der Herrschaft der führenden Clique über das Proletariat, kann leider nicht bestritten werden.
    4. Wir verzichten hier darauf, auf spezielle Charakteristika der direkten Demokratie und der Rätedemokratie gesondert einzugehen.
    5. Da heutzutage nur noch wenige Menschen des Altgriechischen mächtig sind, löst dieser Name in der Regel nicht das schollernde Gelächter aus, das eigentlich angebracht wäre.
    6. Man beachte die Doppeldeutigkeit der Formulierung.
    7. Aus dem bereits in Fußnoten 5 angeführten Grund weisen wir darauf hin, dass es sich um den Plural von „Polis“ handelt.
    8. Das waren ca. 20% der Gesamtbevölkerung. Sklaven, zugewanderte Bürger aus anderen Städten, Metöken und „natürlich“ Frauen hatten keine Partizipationsrechte.
    9. Selbstverständlich auch hier ohne Sklaven, Frauen und „Gedöns“, um einen deutschen ehemaligen Bundeskanzler zu zitieren.
    10. Es überrascht nicht, dass die Lebensdauer der res publica kurz war: Gaius Julius Cäsar (100 – 44 v.u.Z.) riss die Macht an sich. Seine Ermordung hatte keine strukturellen Veränderungen zur Folge: Aus der „Sache aller“ war die Sache eines Menschen geworden, die Sache eines vergöttlichten Kaisers.
    11. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 20, Absatz 2, Satz1. Der hochgeschätzte Bert Brecht pflegte diese Behauptung mit der Frage zu kommentieren: „Aber wo geht sie hin?“
    12. Die Sprache der Politik in dieser Form der Demokratie bedient sich notwendigerweise einer Fülle von Euphemismen, um die wahren Machtverhältnisse zu vernebeln.
    13. Oder auch das Schwein, wie der Engländer sagt: to buy a pig in a poke.
    14. Der Chef sagt, er gibt demjenigen, der ihm die genaue Adresse und Telefonnummer dieser „Märkte“ nennt, eine Flasche Honigwein aus. Die Sekretärin
    15. Allerdings erweckt die Betrachtung der Geschichte der menschlichen Gesellschaft berechtigte Zweifel, ob derlei Entscheidungen überhaupt möglich sind.
    16. Dass das sogenannte „Erfolgsmodell“ China aus verschiedenen Gründen in eine Sackgasse führt, kann hier nicht erläutert werden.
    17. Man sollte sich aber besser nicht mit Guantanamo und den sonstigen Aktivitäten der US-Geheimdienste beschäftigen.
    18. Rede vor dem Unterhaus am 11.11. 1947. Wir gehen davon aus, dass es sich nicht um einen Scherz zur Eröffnung der Karnevalssaison handeln sollte.

Klima und Nationalstaat

von P. D. Kulle

Inhalt:

1. Vorwort

2. Die Entstehung des Nationalstaats

3. Nationalstaat und Nationalstaaten

4. Die Klimakatastrophe

5. Conclusio

6. Nachwort

PD Kulle

1. Vorwort

Ich überlasse es dem geschätzten Kollegen Erich Kästner, die Präambel, die zugleich den Charakter eines vorläufigen Epilogs hat, zu formulieren.

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,

behaart und mit böser Visage.

Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt

und die Welt asphaltiert und aufgestockt,

bis zur dreißigsten Etage.

 

Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,

in zentralgeheizten Räumen.

Da sitzen sie nun am Telefon.

Und es herrscht noch genau derselbe Ton

wie seinerzeit auf den Bäumen.

 

Sie hören weit. Sie sehen fern.

Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.

Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.

Die Erde ist ein gebildeter Stern

mit sehr viel Wasserspülung.

 

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.

Sie jagen und züchten Mikroben.

Sie versehn die Natur mit allem Komfort.

Sie fliegen steil in den Himmel empor

und bleiben zwei Wochen oben.

 

Was ihre Verdauung übrigläßt,

das verarbeiten sie zu Watte.

Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.

Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,

daß Cäsar Plattfüße hatte.

 

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund

Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.

Doch davon mal abgesehen und

bei Lichte betrachtet sind sie im Grund

noch immer die alten Affen.

 

2. Die Entstehung des Nationalstaats

Schon damals, als „die Kerls“ noch „auf den Bäumen“ „hockten“, im prähominiden Zustand also, bevor der aufrechte Gang (1)
sich als normale Fortbewegungsweise durchsetzte, gab es zweifellos Territorialkämpfe: Kämpfe um den höchsten Baum mit optimaler Lichteinstrahlung, um den Baum mit den nahrhaftesten Früchten, um den mit den größten Blättern für den Nestbau und so fort.

Allerdings hat sich dieser Kampf nicht, wie Kästner in dichterischer Freiheit behauptet, unmittelbar danach in zentralbeheizten Räumen fortgesetzt. Dergleichen gab es erstmals im sogenannten alten Rom (2) und danach nach langer Unterbrechung erst wieder im 20. Jahrhundert. Auf den Baum folgt nicht das wohltemperierte 30. Stockwerk, sondern die dunkle Höhle, die, wie auch die luftige Behausung, erobert und verteidigt werden muss: Mitmenschen, Bären und Wölfe (3) sind die häufigsten Feinde.

Ärgerlich, dass eine einmal eroberte Höhle kein sicherer Besitz des Eroberers ist: Er kann seinen Wohnort durch kein Gesetz garantieren lassen, er kann nur versuchen, ihn gegen das Recht des Stärkeren zu verteidigen.

Was tun? Eine sich anbietende Möglichkeit ist, sich mit den Nachbarn auf guten Fuß zu stellen. Das ist in der Geschichte der Menschen einmal mehr, einmal weniger gelungen. Die sardische Nuraghenkultur, in der ein Wehrturm keine zwei Kilometer vom nächsten entfernt stand, ist ein Beispiel für das Misslingen dieser Strategie, die griechischen Poleis, die, wenn sie prosperierten, sich von Stadtstaaten zu Städtebündnissen entwickelten, stehen für den Erfolg.

Schon diese beiden Beispiele zeigen: Es gilt, Raum zu gewinnen. Eigener Raum begrenzt das Territorium des vermeintlichen oder tatsächlichen, jedenfalls immer potentiellen Feindes, Raum schafft die Möglichkeit der Verteidigung, denn er bietet gegebenenfalls Platz zurückzuweichen, Raum produziert Nahrungsmittel etcetera.

Allerdings nützt der größte Raum nichts, wenn er nicht gesichert werden kann. Zur Sicherung großer Territorien braucht man bewaffnete Menschen, die entweder aus aktuellem Anlass zusammengerufen oder für den äußerst wahrscheinlichen Fall des Falles präemptiv bereitgehalten werden.

Es ist evident, dass dergleichen großräumige Aktivitäten nicht von einem höhlenbewohnenden Clan bewerkstelligt werden können, der völlig damit ausgelastet ist, die Nahrungsmittel für den täglichen Bedarf jagend und sammelnd herbeizuschaffen. Ein gesellschaftliches Mehrprodukt auf der Basis landwirtschaftlicher Produktion ist dafür erforderlich, das so groß ist, dass eine das Verteidigungshandwerk ausübende Schicht, Klasse oder Kaste von der Handarbeit freigestellt werden kann.

Wes bedarf es noch, um den Raum zu sichern? Die Bewohner angrenzender Räume müssen wissen, dass dieser Raum existiert. Man muss den Raum also wenn auch nicht mathematisch, so doch politisch-geografisch definieren. Eine solche Definition wird als Grenzziehung bezeichnet. Als Grenzen bieten sich sogenannte naturräumliche Gegebenheiten wie Flüsse oder Gebirge an, die es an sich (4) ähnlich bewaffneten Menschen aus angrenzenden Räumen erschweren, den eigenen Raum zu betreten. Es bedarf zusätzlich auch der Verständigung darüber, wo die Grenze verläuft; es bedarf also der Sprache, der Sprachgemeinschaft. Wer „Grenze“ sagt, grenzt sich gegenüber dem ab, der von der „frontière“ parliert.

Voilà, l‘état, c‘est moi (5) ; oder auch: Der Nationalstaat ist entstanden (6).

3. Nationalstaat und Nationalstaaten

Viele Nationalstaaten sind entstanden, viele Horden bewaffneter Männer (7). Innerhalb der Staaten ist der Umgang miteinander meist recht genau definiert: Es ist klar festgelegt, wer herrscht, ob zum Beispiel ein Rechtsstaat etabliert ist oder ob die herrschende Gruppe die nicht herrschende nach Gutdünken unterdrücken darf, welche Freiheiten, vor allem Freiheiten wirtschaftlicher Natur, die Bewohner (8) sich herausnehmen dürfen.

Das Recht, das zwischen Nationalstaaten herrscht, war und ist fragilerer Natur. Obwohl es euphemistisch als Völkerrecht (9) bezeichnet wird, gleicht es eher den Strukturen, die die gesellschaftlichen Beziehungen in „failed States“ kennzeichnen. Auseinandersetzungen bis hin zu Kriegen sind die Regel, nicht die Ausnahme, verursacht durch „nationale Interessen“. Immerhin gibt es internationale Abkommen, in denen detailliert geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen Menschen andere Menschen legal töten dürfen und was mit den nicht ganz Toten, also nur Verwundeten, zu geschehen hat (10). Man sieht: Manchmal reden Menschen sogar miteinander und kommen zu Ergebnissen.

4. Die Klimakatastrophe

Die Notwendigkeit, miteinander zu verhandeln und dabei zu Ergebnissen zu kommen, hat im Lauf der menschlichen Geschichte zugenommen. Das erklärt sich auch, aber nicht nur rein quantitativ: Für die beängstigend zunehmende Weltbevölkerung wird es immer schwerer, Konflikte zu vermeiden.

Nun basiert die Ökonomie dieser Weltbevölkerung seit der Industriellen Revolution auf der Vernutzung (11) fossiler Energieträger, was die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre auf gegenwärtig (12)
388 ppm gegenüber 270 ppm vor der IR hat ansteigen lassen. Aufgrund dessen hat bereits ein weltweiter Temperaturanstieg begonnen, der, falls keine effektiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden, die Existenz der menschlichen Rasse gefährden dürfte (13). Das ist sogar den Menschen aufgefallen. Seit dem sogenannten Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro hat es nicht weniger als 16 (sechzehn!) Umweltkonferenzen unter der Schirmherrschaft der UNO gegeben, ohne dass ein für alle Staaten rechtlich verbindliches Abkommen geschlossen worden wäre. Und warum nicht? Weil die Regierungen der Nationalstaaten um ihre kostbaren Standortvorteile fürchten!

5. Conclusio

Nun denn, bald wird es zwar noch Standorte geben, nicht aber Vorteile. Ich verweise nochmals auf die klugen Bewertungen des Kollegen Kästner und komme wie stets zu dem treffenden Schluss:

Pfffffffftt..........

6. Nachwort

Ich danke wie immer meiner Sekretärin. Möge Tussi (14) Wunder tun und uns alle kühle Zeiten genießen lassen!



Fußnoten:

1. Wir sprechen vom aufrechten Gang nur im physiologischen, nicht im metaphorischen Sinn.

2. mit dem Hypokaustensystem

3. nota bene: in dieser Reihenfolge

4. Ich bitte den Kollegen Kant wegen dieser Formulierung um Verzeihung.

5. Manchmal ist der Chef ein wenig größenwahnsinnig, finde ich. Die Sekretärin

6. Jedenfalls ist das der Regelfall. Wie es mehrsprachige Staaten wie zum Beispiel die viersprachige Schweiz geschafft haben, mehr als ein Jahrhundert zu überleben, muss noch untersucht werden. Unsere vorläufige Hypothese ist, dass die Schweizer über ein außerordentliches Intelligenzgen verfügen.

7. vgl. ähnliches vielerorts bei Marx und Engels

8. Es wäre wahrscheinlich korrekter, die Bewohner als Insassen zu bezeichnen, allerdings ist das nicht üblich. Zu meinem Bedauern ist auch die bärische Politologie noch nicht zu dem Schluss gekommen, dass sich die menschliche Gesellschaft nur mit einer Terminologie aus dem Bereich der Psychiatrie angemessen beschreiben lässt.

9. Wenn die politische Klasse eines Staates ihrem Volk alle Rechte nimmt und andere Menschen sich darüber empören, erklärt diese Klasse, es handele sich um „innere Angelegenheiten“.

10. vgl. die „Haager Landkriegsordnung“ und die „Genfer Konventionen“

11. Ich wollte dem Chef diesen Begriff ausreden, hatte aber keinen Erfolg. Er findet ihn so schön, weil Marx ihn häufig verwendet. Die Sekretärin

12. 2010

13. Wie meine Leser wissen, bedaure ich dergleichen nicht, aber leider ist auch das Leben der Bären gefährdet.

14. Gottheit des Chefs. Die Sekretärin

(Erklärungs-)Krise

“Onkel Kulle!“

Einbärenfamilie

Nanuk sprangen pitschnass aus dem Dorfteich von Bärenleben und schüttelten sich am Ufer so erfolgreich, dass Kulle an diesem Tag auf eine Dusche würde verzichten können. Aber er liebte die Zwillinge heiß und innig und nahm ihnen nichts übel.

“Onkel Kulle, kannst Du uns was erklären?“

Da Kulle felsenfest davon überzeugt war, dass Erklärungen zu seinen Spezialitäten gehörten, sagte er natürlich sofort “Ja“ und wollte erst anschließend wissen, worum es denn gehe.

Kulle

“Wir haben gerade mit Mami im Wasser gespielt“, sagte Na.

“Dabei waren wir wohl ein bisschen wild“, gab Nuk zu.

“Jedenfalls hat Mami gesagt, sie kriegt die Krise. Und jetzt sollst Du uns das mit der Krise erklären. Bitte!“

“Aber“, stotterte Kulle, “wenn Oicy psychische Probleme hat, dann bin ich der Letzte, der sich mit so etwas auskennt. Bärdel kann bestimmt…“

“Nein, Onkel Kulle, wir meinen die andere Krise, von der alle reden, die mit dem Bruder vom Mann aus Lehm und dem Euro und den USA und so. Wir möchten nicht, dass Mami diese Krise kriegt!“

“Ihr wollt also etwas über die aktuelle ökonomische Krise wissen, ist es das?“

“Wenn Du das sagst, Onkel Kulle, dann ist es bestimmt richtig. Aber wir wollen nicht nur etwas darüber wissen, sondern alles.“

Wäre Kulle ein Mensch gewesen, hätte er jetzt “Scheiße“ gedacht. Da er aber ein Bär war, dachte er “Brombeermist“. Ausgerechnet diese Krise, die niemand wirklich erklären konnte, und er – wenn er ehrlich war – auch nicht. Er überlegte, wie er es anfangen sollte. Er überlegte lange.

Die Eisbärenzwillinge trockneten ihr Fell in der Herbstsonne, aber bald wurde ihnen das zu langweilig.

“Onkel Kulle, warum sagst Du nichts?“ fragte Nuk.

Na wollte Kulle helfen: “Wir haben bei Karl Marx gelesen, dass alle Krisen im Kapitalismus Überproduktionskrisen sind. Weil der Marktprozess nicht geplant werden kann, aber jeder Produzent den höchstmöglichen Profit erwirtschaften will, kommt es in periodischen Abständen dazu, dass die geschaffenen Werte nicht als Waren realisiert werden können. Ist das diesmal genauso?“

‘Schön wäre es‘, schoss es Kulle durch den Kopf. Dann könnte ich alles wirklich erklären. ‘Aber der Große Karl ist über hundert Jahre tot, und was der Kapitalismus sich seitdem alles ausgedacht hat, konnte er beim besten Willen nicht antizipieren.‘

“Ihr seid erstaunlich gut vorgebildet!“ lobte er. Es klang lahm. “Aber diese Kenntnisse helfen uns nicht dabei, die konkreten Probleme zu analysieren. Die sind nämlich neu.“

“Toll, Onkel Kulle! Uns interessiert immer alles, was neu ist!“

Hilfe für Kulle kam von unerwarteter Seite. Am Teichufer gegenüber schimpfte Tumu so lautstark mit Manfred, dass es unmöglich war, darüber hinwegzuhören. Ihr Sohn blieb ihr nichts schuldig und gab ebenso lärmend Contra. So hatten die Zwillinge ihre Unterhaltung, und Kulle gewann Zeit zum Nachdenken.

“Du machst das immer noch? Immer noch? Ich habe geglaubt, diese Verbrechermethode brauchten wir nur in Amerika!“

“Klar mache ich das immer noch! Denkst Du etwa, alle Technik, mit der wir hier leben, ist vom Himmel gefallen? Meinst Du, ich habe Deinen Luxusbackofen mit Programmautomatik selbst zusammengeschraubt? Und es ist keine Verbrechermethode, wenn ich Kreditkarten nutze, die mir angeboten werden. Na gut – unter falschem Namen und falscher Adresse, das gebe ich zu. Aber die Banken wollen betrogen werden, sie bieten ihre Karten an wie sauer Bier. Die müssen Geld haben wie Heu!“

,Klick!‘ machte es in Kulles Kopf. Aber er beschloss, zunächst den Mund zu halten. Vielleicht konnte er noch mehr von Manfred lernen.

“Für wie dumm hältst Du mich eigentlich?“ fauchte Tumu. “Den Banken geht es schlecht, das kannst Du jeden Tag in der Zeitung lesen.“

“Ach – und wer ist schuld daran, dass es den Banken angeblich schlecht geht? Die Banken! Die haben insolventen Kreditnehmern in den USA ihr vieles Geld hinterhergeworfen und haben sich dabei halt verspekuliert – Pech gehabt. Aber keine Sorge – schlecht geht es den Banken nicht. Die sind, wie man sagt, systemrelevant. Weil die gesamte Menschenwelt auf Pump lebt, Privathaushalte genauso wie Firmen und Staaten, funktioniert die Wirtschaft ohne Banken einfach nicht. Im Zweifelsfalle werden sie gerettet, das heißt, sie bekommen viel Geld. So viel Geld haben nur Staaten, die können es nämlich drucken.“

“Das heißt…“ Tumus Stimme war jetzt deutlich leiser.

“Das heißt, wenn ich Banken schädige, schädige ich niemanden. Jedenfalls nicht direkt.“

“Hm, vielleicht hätte ich Dir keine Szene machen sollen, mein Sohn. Und was den Backofen angeht – der funktioniert einfach hervorragend. Was hältst Du von einem Honigkuchen? Das dauert nur ein knappes Stündchen!“

“Gerne! Darf ich Dir helfen?“

Mutter und Sohn trollten sich und verschwanden in der Höhlenküche von Bärenleben.

Na und Nuk schlugen ihre Kinderaugen auf.

“Onkel Kulle, wir glauben, wir haben schon viel verstanden. Aber ein paar Fragen haben wir noch. Warum gibt es zu viel Geld auf der Welt? Wir dachten immer, es gibt zu wenig.“

“Die meisten Menschen haben zu wenig Geld, das stimmt. Aber damit der Kapitalismus funktioniert, muss es genug Geld bei den Banken geben, das sie verleihen können. Nach den Attentaten am 11. September 2001 hat die US-Notenbank die Welt mit Geld überschwemmt, weil sie eine Wirtschaftskrise verhindern wollte.“

“Und deshalb kriegt Onkel Manfred so viele Kreditkartenangebote?“

“Genau.“

“Und die Staaten, die den Banken das Geld geben?“

“Die machen Schulden und müssen dafür Zinsen zahlen. Wenn nicht sicher ist, ob sie ihre Schulden zurückzahlen können, werden die Zinsen erhöht. Das ist nicht gut für die Menschen, die in diesen Staaten leben, denn sie müssen das Geld bereitstellen, das der Staat braucht, also hohe Steuern zahlen. Vielleicht gibt es auch eine Inflation, weil viel Geld gedruckt worden ist, aber die Warenmenge nicht gewachsen.“

“Oh je, Onkel Kulle, das ist aber ganz schön kompliziert. Darüber müssen wir erst mal nachdenken. Dürfen wir zum Schluss noch eine Frage stellen?“

“Klar!“

“Wer ist der Bruder vom Mann aus Lehm? Ist das der Golem?“

Kulle griff sich an die Stirn. “Ich krieg die Krise,“ murmelte er.

Na und Nuk begriffen, dass Kulle in diesem Moment nicht antworten wollte. Fröhlich hüpften sie wieder in das kühle Wasser des Dorfteiches.

Krise

Es war ein warmer Spätfrühlingstag in Bärenleben, und es war Vormittag. Das Leben ging seinen üblichen Gang. Die Bären, das Schwein und der Frosch studierten, diskutierten, bereiteten das Essen vor, machten sauber oder betrieben Körperpflege.

Einbären

Oicy hatte sich für die Körperpflege entschieden, und das hieß für eine Eisbärin in dieser Jahreszeit hauptsächlich, der dehländischen Wärme auszuweichen, so gut es ging. Deshalb war sie in den eigens für sie und ihre Kinder erweiterten Dorfteich geglitten, hatte über und unter Wasser ihre Runden gedreht und davon geträumt, gleich gegen eine Eisscholle zu stoßen, auf der sich eine fette Sattelrobbe vergeblich zu verstecken versuchte. Aber natürlich blieb das ein Traum. Sie traf nur Ramses, der sich unter Teichrosenblättern zu verbergen versuchte und hoffte, eine Libelle zu erbeuten. Aber die klugen Libellen erspähten ihn immer rechtzeitig und bogen ab, bevor sie in seine Reichweite gerieten.

Ramses

Ramses verdrückte sich deshalb bald und hüpfte in Manfreds Hochtechnikwerkstatt. Er hatte dort einen Computerarbeitsplatz, an dem er an zwei komplexen Problemen arbeitete: Er wollte das Wetter präzise voraussagen – das war für einen Laubfrosch eine vergleichsweise leichte Aufgabe. Er wollte das Wetter aber auch beeinflussen können, und das war deutlich schwieriger. Wenigstens störte er niemanden, wenn er vor seinem Rechner hockte und versuchte, Tussis Schöpfung zu verstehen.

Mit Oicy war das anders. Als sie den Teich verließ, um zuerst nach ihren Kindern zu sehen und dann Tumu beim Kochen zu helfen, schüttelte sie sich kräftig, und es passierte das, was passiert, wenn Eisbären sich schütteln, nachdem sie gerade aus dem Wasser gestiegen sind: Aus dem dichten Pelz flogen Tropfen über Tropfen, und wer gerade in der Nähe stand, bekam eine kräftige Dusche ab.

Die Dusche erwischte die alte Bärin, die gerade vor ihrer Höhle aufräumte. Und nicht nur die Wasserdusche: Die Tropfen, die Oicy energisch auf die Reise geschickt hatte, platschten auf den trockenen Boden, lösten daraus Erdpartikel, ließen sie hochspringen und verwandelten die eben noch saubere Alte in eine über und über von Schmutz bedeckte Bärin.

“Ich krieg die Krise!” schimpfte die Alte zornig.

Oicy fühlte sich irgendwie angesprochen, wusste aber nicht recht, warum. Sie hatte sich doch ganz normal verhalten, oder? Aber helfen wollte sie schon.

“Kann ich Dir bei Deiner Krise helfen?” erkundigte sie sich freundlich.

“Bei meiner Krise? Bei MEINER Krise?” keifte die Alte. “DEINE Krise ist das! Weil bei Dir zu Hause das Eis schmilzt, bekleckerst Du mich hier in Dehland mit Wasser und Dreck, und wahrscheinlich bist Du auch für die Aschenkrise verantwortlich, die dieser Vulkan aus Island macht, aus dem Eisland also, da, wo Du herkommst.”

Oicy hatte ausgesprochen gut gefrühstückt, nämlich eine Kiste frischer grüner Heringe, in den Morgenstunden angeliefert vom Rungis-Express, und war deshalb friedlich gestimmt.

“Du hast recht, die Klimakrise ist meine Krise, aber ich bin dabei der passive und nicht der aktive Teil. Und mit dem Eyjafjallajöküll habe ich gar nichts zu tun.”

“Mit wem?”

“Mit dem Eyjafjallajökull. Das ist der isländische Vulkan, der vor kurzem ausgebrochen ist.”

Die alte Bärin überlegte, ob sie ausfällig werden sollte, weil Oicy sie jetzt auch noch mit unaussprechlichen Worten bombardierte, aber bevor sie damit zu Ende war, tauchten Bärdel und Kulle am Teichufer auf. Wie immer waren sie in ein intensives Gespräch vertieft.

Kulle und Bärdel

“Also, das mit der Krise musst Du mir bitte unbedingt erklären, und zwar ohne komplizierte Fachbegriffe!” sagte Bärdel energisch.

“Mir auch!” schloss sich die Alte nicht minder energisch an.

Kulle hatte ihr gar nicht zugehört, aber Bärdel war irritiert.

“Seit wann interessierst Du Dich für Ökonomie?” wollte er wissen.

“Für was?” Die Alte hatte allmählich die Nase voll von merkwürdigen Worten.

“Für Wirtschaft”, verbesserte sich Bärdel.

Empört stemmte die Alte die Arme in die Seiten. “Willst Du etwa behaupten, dass ich keine ordentliche Wirtschaft führe? Bei mir kann man vom Fußboden essen, normalerweise jedenfalls, wenn nicht gerade dieses ungeschickte weiße Monstrum…”

Auf Oicys Stirn zeigten sich die ersten Falten. Tiefe Falten. Sie war noch nie zornig geworden, seit sie in Bärenleben war, und das war auch gut so. Jetzt aber war sie kurz davor. Zum Glück wurde sie von Nanuk abgelenkt. Die Zwillinge stürzten auf sie zu.

“Mamimami, wir haben gerade etwas Neues gelernt! Onkel Manfred hat uns die Geschichte von Tschernobyl erklärt. Wir wissen jetzt, wann ein Reaktor kritisch wird!”

“Und wann ist das?” wollte ihre Mutter wissen.

“Wenn er zu heiß wird. Wenn man Pech hat, kommt es zu einer Kernschmelze. Dann wird die gesamte Umgebung vergiftet. Das ist dann eine fürchterliche ökologische Krise.”

“Ist eure ö-kol-ko-logische Krise dieselbe wie die von Bärdel?” fragte die Alte die Kleinen. “Bärdels Krise klang ähnlich, aber irgendwie anders.”

Na und Nuk waren von der Frage logischerweise überfordert, aber sie nutzten die Gelegenheit, um Bärdel mit Beschlag zu belegen.

“Onkel Bärdel, Onkel Bärdel, hast Du eine Krise?”

“Hm, ich weiß nicht so recht,” brummte Bärdel. “Allmählich schwirrt mir der Kopf. Vielleicht bekomme ich einen Migräneanfall. Ich glaube, ich bin an der kritischen Grenze dazu.”

Die Alte, die keineswegs immer nur putzte, obwohl sie dabei oft beobachtet wurde, lernte in ihrer freien Zeit gerade Griechisch und beschäftigte sich dabei natürlich auch mit Geographie und Landeskunde. Jetzt schüttelte sie den Kopf zum zweiten Mal und verstand überhaupt nichts mehr. Konnte ein Reaktor sich aussuchen, ob er auf Kreta stand oder anderswo? Wieso glaubte Bärdel, er sei an der Grenze Kretas? Und – hatte eine Insel überhaupt eine Grenze?

Kulle hörte immer noch nicht zu. Er pflegte das, was er als ,soziale akustische Umweltverschmutzung‘ bezeichnete, stets zu ignorieren. In solchen Phasen der gesellschaftlichen Abwesenheit beschäftigte er sich, wie er fand, produktiv mit der Lösung theoretischer Probleme oder wenigstens mit deren kommunikativer Vermittlung.

Kulle und Bärdel

“Diese Krise”, sagte er jetzt, “ist eine umfassende. Es ist falsch, wenn sie allein der Ökonomie angelastet wird. Ursächlich für sie ist die Politik, oder besser gesagt, das Versagen der Politik. Die politische Klasse Europas oder meinetwegen Kerneuropas sollte also selbstkritisch eingestehen, dass eine Währungsunion ohne eine gemeinsame Währungs- und Finanzpolitik, und eben ein solches Konstrukt stellt der Euro dar, auf tönernen Füßen steht. Was ist denn der Stabilitäts- und Wachstumspakt anderes als ein zahnloser Papiertiger? Die kritische Betrachtung dieser dilettantischen Konstruktion kann nur zu einem vernichtenden Urteil kommen.” Kulle holte tief Luft. “Derlei Dilettantismus lädt geradezu dazu ein, ihn auszunutzen. Wer will es den smarten Boys von den Hedgefonds, die sich im Januar oder Februar in einem New Yorker In-Restaurant getroffen haben, in dem es, Schande über die amerikanische Küche, vermutlich auch nichts anders zu essen gab als Steak oder totgebratenes Hähnchen, verübeln, dass sie auf die Idee kamen, mit vereinten Kräften gegen den Euro zu wetten? Der Erfolg spricht für sie!” “Kulle räusperte sich. “Die Krise, über die alle so entsetzt sind, ist übrigens keine Euro-Krise. Sie ist eine Schuldenkrise. Fast alle Staaten dieser Welt leben über ihre Verhältnisse, allen voran die USA. Ich bin gespannt, wann der Dollar brennt. Dann kann ich endlich meine rote Fahne aus ihrer Ecke holen. So!” sagte er triumphierend. “Noch Fragen?”

“Hast Du Kopfschmerztabletten?” Bärdel hielt sich schützend die Pranke vor sie Stirn.

“Hat das was mit mir zu tun, oder kann ich jetzt Tumu beim Kochen helfen?” wollte Oicy wissen.

“Onkel Kulle, was sind Hedgefonds?” Das waren die Zwillinge.

“Kulle, klopf mit mal den Pelz ab, damit ich wieder sauber werde. Und erkläre mir dabei: Was heißt eigentlich ,Krise‘?”

Kulle willfahrte ihr, bevor seine Situation allzu kritisch wurde.

Appetit auf Löwenzahn

Bärdel

Bärdel boxte Kulle freundschaftlich, aber durchaus energisch in die Rippen.

Kulle

„Nun komm schon hoch, Du Schlafmütze“, sagte er so laut, dass er auch beim besten Willen nicht zu überhören war. „Das neue Jahr ist schon fast wieder alt, der Tag ist schon zwei Stunden länger als zur Wintersonnenwende, und die gewendete Sonne scheint übrigens gerade. Genug der Hibernation! Lass uns spazierengehen!“

Kulle brummte ungnädig. Da er aber wusste, dass er gegen seinen energiegeladenen großen Freund keine Chance hatte, richtete er sich auf, reckte sich und steckte den Kopf aus der Schlafhöhle. Sofort zuckte er zurück.

„Spinnst Du?“ wollte er wissen. „Da draußen liegt noch Schnee!“

„Weiß ich doch,“ antwortete Bärdel seelenruhig. „Anders als der Herr Privatgelehrte bin ich nämlich schon eine Weile lang aktiv. Dehland erlebt seit Jahren mal wieder einen Winter, der den Namen auch verdient. Vielleicht ist es ja der letzte, bevor auch in Bärenleben die Palmen gedeihen. Also komm schon! Ich hab Dir sogar Schneeschuhe besorgt.“

Kulle schnallte sich zwei Apparate unter die Hinterpranken, die ihn sehr an Tennisschläger erinnerten. Es waren übrigens Tennisschläger – Manfred hatte sein Organisationstalent spielen lassen.

Draußen blinzelte er in den blauen Himmel und atmete tief durch, bevor er die ersten breitbeinigen Schritte wagte. „Ist tatsächlich eine gute Idee von Dir gewesen, die Nase aus der Höhle zu stecken,“ gab er zu. „Die Luft tut gut. Aber die Luft macht auch Hunger – ich hätte jetzt nichts gegen ein paar Löwenzahnwurzeln einzuwenden, roh oder auch gebraten!“

Loewenzahn - gewesen

„Da wirst Du noch ein paar Wochen warten müssen“, wandte Bärdel ein. „Der Löwenzahn, der bei Minusgraden im Schnee wächst, ist noch nicht erfunden.“

„Vielleicht doch. Kann sein, wir wissen es nur nicht.“

„Kaum bist Du wieder wach, versuchst Du, mich auf den Arm zu nehmen.“

„Im Prinzip ja, jetzt aber gerade nicht. Schon mal was von Monsanto gehört?“

„Ich glaube nicht. Ist das ein heiliger Berg oder so was?“

„Eher so was. Monsanto ist ein Agrarchemiekonzern, der genmanipulierte Pflanzen züchtet. Vielleicht auch anderes Genmanipuliertes, aber davon ist offiziell nichts bekannt. Belegt sind nur die Pflanzen.“

„Und warum macht das dieser Konzern?“

„Willst Du die offizielle Antwort oder die wahre?“

„Wie wär‘s mit beiden?“

„Monsanto bekämpft erfolgreich den Hunger in der Welt. Monsanto ist dafür unverzichtbar. Tatsächlich verdient Monsanto sich mit seinen Produkten dumm und dämlich. Seit 40 Jahren gibt es ein Pestizid mit dem schönen Namen ,Roundup‘. Das entsprechende Produkt in Europa vom Bayer-Konzern heißt ,Basta‘ – eigentlich könnte der Kanzler den Namen erfunden haben, weißt Du, der zweite, der mal bei uns war, noch im alten Bärenleben.

Hat er aber nicht. ,Basta‘ vernichtet ebenso wie ,Roundup‘ alle Pflanzen außer denen, die gegen es resistent sind, und das sind überwiegend genmanipulierte Pflanzen aus den Labors von Monsanto. Die Landwirte dürfen davon kein Saatgut zurückhalten, sondern müssen Jahr für Jahr neues kaufen. Von wegen Hungerbekämpfung! Hungerleider können sich kein teures Saatgut leisten, habe ich mir sagen lassen.“

„Ich glaube, ich habe davon schon mal gelesen“, sagte Bärdel nachdenklich. „Und zwar etwas Gutes, von einem Wissenschaftler.“

„Weißt Du auch, auf wessen Lohnliste dieser Wissenschaftler steht?“

„Du meinst…?“

„Ich meine erst mal gar nichts. Aber Fakt ist, dass Monsanto eine gute PR betreibt, natürlich nicht in eigenem Namen, sondern unter dem Feigenblatt wissenschaftlicher Objektivität. Tatsache ist auch, dass Regierungen und politische Parteien, vor allem in den USA, großen Konzernen traditionell gewogen sind, denn von großen Konzernen kommen große Spenden. Und die anderen Wissenschaftler, die sich gegen Monsanto aussprechen – die gibt es nämlich auch –, die werden von Greenpeace bezahlt oder von Friends of the Earth oder anderen Umweltverbänden.“

„Willst Du damit sagen, dass es keine objektive Wissenschaft gibt?“

Kulle blickte Bärdel empört an. „Natürlich gibt es eine objektive Wissenschaft – oder was meinst Du, was ich den lieben langen Tag so treibe? Aber mich bezahlt schließlich niemand. ,Wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘ – das war schon richtig für Hartmann von Aue und Oswald von Wolkenstein…“ Kulle sah in Bärdels Augen große Fragezeichen. „…Das waren Minnesänger…und das gilt auch noch heute.“

„Entschuldige bitte“, murmelte Bärdel zerknirscht. Ich wollte Dich nicht verletzen. Am liebste würde ich Dir jetzt eine Löwenzahnwurzel anbieten, aber leider ist gerade keine da.“

„Zum Glück ist keine da!“ korrigierte Kulle. Er dreht sich um und geriet dabei auf seinen Tennisschlägerschneeschuhen beinahe aus dem Gleichgewicht. „Komm, wir gehen nach Hause. Tumu hat bestimmt noch eingelegte Wurzeln vom letzten Herbst übrig. Wie wär‘s, wenn Du Deine Frau überredetest, uns ein leckeres Frühstück zu bereiten?“

Bärdel hatte nichts dagegen.

Das Projekt der Moderne

PD im Weihnachtsmodus nach Kopenhagen

Inhalt:

  • Vorwort
  • Definition des Begriffs
  • Die neue Wirtschaftsweise und ihre Segnungen
  • Die Kosten der neuen Wirtschaftsweise
  • Die Ideologie der neuen Wirtschaftsweise
  • Die Folgen der neuen Wirtschaftsweise
  • Die Menschliche Reaktion
  • Conclusio

Vorwort


Die folgenden kurzen Anmerkungen versuchen wir, entgegen unserer sonstigen Vorgehensweise, so populärwissenschaftlich wie nur möglich zu halten1, geht es uns hic et nunc doch darum, dass uns Hu Jintao, Barack Obama, Angela Merkel und alle anderen auf den roten Teppichen und Lieschen Müller sowie Otto Normalverbraucher weltweit verstehen, wie immer sie in ihrem Land auch heißen mögen. Denn die Moderne hat uns ein modernes Problem beschert, das es selbst einem wissenschaftlich denkenden Bären unter seinem Fell heiß werden lässt. Theoretisch war uns, wie die Kenner unserer veröffentlichten gesellschaftlichen Analysen zweifellos wissen, die Vergeblichkeit allen bisherigen menschlichen Agierens stets bewusst2. Nun aber, da das Anthropozän im Begriff ist, aufgrund des Wirkens seiner Namensgeber abrupt in eine klimagewandelte Welt zu führen, ist es Zeit, den distanzierten Zynismus aufzugeben. Wo es zu heiß wird, wo der Plüsch Feuer zu fangen droht, da verpufft die Freude am Pffffffttttttt.

PD Kulle

Definition des Begriffs

Als Moderne bezeichnen wir eine extrem kurze Phase – von Epoche mögen wir kaum sprechen – der Menschheitsgeschichte, deren Ende sowohl absehbar als auch unvermeidlich ist. Wir distanzieren uns folglich von denjenigen Theoretikern, die die Moderne bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu Grabe getragen haben und behaupten, die Welt befinde sich aktuell im Stadium der Postmoderne. Erstens ist das Unsinn, und zweitens wird die Postmoderne die Menschheit eher ereilen, als ihr lieb sein kann. Denn auf die Moderne folgt die Unmoderne, der Rückfall, die Regression, das hätte auch der geschätzte Kollege Lyotard3 bemerken können.

Da der Begriff der Moderne ein Sich-Absetzen von früheren Strukturen impliziert, lehnen wir es ab, die Renaissance darunter zu fassen, die mitunter als geistesgeschichtlicher Beginn einer neuen Zeit begriffen wird. Eine Wiedergeburt als Neubeginn zu begreifen mag für Buddhisten logisch erscheinen, dem abendländisch Denkenden dagegen kann dies unmöglich einleuchten.

Die Moderne umfasst folglich jenen Zeitraum, in dem fraglos eine neue Wirtschaftsweise dominiert und angeblich neue Werte4 die alten abgelöst haben – und in dem eine Fülle neuer Probleme nicht entstand, sondern produziert wurde, die zu ihrer Vernichtung führen werden.

Die neue Wirtschaftsweise und ihre Segnungen

Der Kapitalismus hat zweifelsohne seine Schattenseiten, von denen in unseren früheren Arbeiten hinreichend die Rede war. Jetzt gilt es, das Positive hervorzuheben5.

Als letzte Stufe der auf dem Klassenantagonismus basierenden Produktionsweisen entwickelt der Kapitalismus aufgrund der ihm inhärenten Zwänge die Produktivkräfte zu einer bisher unbekannten Höhe. Da sich der Tauschwert marktförmig realisiert, muss der erfolgreiche Kapitalismus, auch wenn er die Ware Arbeitskraft ausbeutet, eine stetig wachsende Menge allgemeinen Warenäquivalents, vulgo Geld, erzeugen und in Umlauf halten6.

Aus dem verelendeten Proletariat der industriellen Revolution entwickelte sich in den sogenannten Industrieländern während einiger Generationen eine große Masse abhängig beschäftigter, bisweilen arbeitsloser, immer aber mit einem Minimum an Kaufkraft ausgestatteter Konsumenten. Sie verdanken ihre Existenz den bisweilen blutigen Kämpfen der Organisationen ihrer Väter, den Gewerkschaften, der zwischenzeitlichen Existenz des Staatskapitalismus, dem gegenüber der Privatkapitalismus seine Überlegenheit wie seinen Altruismus beweisen musste, und auch dem Umstand, dass die antagonistischen Gegensätze Arbeit und Kapital als eineiige Zwillinge mit entgegengesetztem Genpool ohne einander nicht lebensfähig sind7.

Aus dem zunächst regional und national organisierten Kapitalismus wurde dank leistungsfähiger Transport- und Kommunikationsmittel binnen Jahrzehnten ein weltumspannendes System. „Die restliche Welt“, also cum grano salis etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung, ging dabei nicht leer aus. Der industrielle Kapitalismus braucht Rohstoffe, billige Arbeitskraft und Absatzmärkte, und er bediente sich. Deshalb stieg für viele Millionen von Menschen der Lebensstandard, sofern man das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als dessen Maßstab betrachtet. Auch in Hintertupfistan konsumiert man deshalb heutzutage so wertvolle Produkte wie Autos, Coca Cola und Hamburger.

Die Kosten der neuen Wirtschaftsweise

Ohne die Zufuhr von Energie lässt sich keine Arbeit verrichten8. Die Menschen nutzen die Betätigung ihrer eigenen und seit der neolithischen Revolution9 auch die tierischer Muskeln dazu. Wo ein Output ist, muss auch ein Input sein: In dem skizzierten Fall kommt, betrachtet man das Ganze unter dem Aspekt der Festkörperchemie, vorne Nahrung rein und hinten Scheiße10 raus. Der Gasumsatz besteht primär in der Vernutzung11 von Sauerstoff und der Emission von CO2, im Fall von Blähungen auch von CH412.

Mit dieser bescheidenen Energiezufuhr gibt sich die große Industrie, die ihre Maschinen antreiben muss, allerdings nicht zufrieden. Sie fand kräftigere Forces13 zunächst in der Dampfkraft, die ihr die Kohleverbrennung zugänglich machte, dann in der Elektrizität, zu deren Erzeugung ihr zusätzlich Öl und Gas dienten, und schließlich in der Kernenergie, für die Uran den Brennstoff lieferte.

Diese Energieträger sind jedoch in Tussis14 Schöpfung endlich und in naher Zukunft erschöpft – es wird bald keinen Input mehr geben können 15. Leider aber gibt es den gegenwärtigen Output: Kohle, Öl und Gas emittieren bei ihrer Verbrennung ebenfalls CO2, und davon gelangt viel mehr in die Atmosphäre als vor der Industriellen Revolution. Die von diesen fossilen Brennstoffen angetriebenen Maschinen zeitigen zwar keine Flatulenzen16, emittieren also kein CH4, wohl aber tun das die etwa eineinhalb Milliarden Kühe auf der Welt, von denen die meisten ihrer Zukunft als (Hack)Fleisch in den Mägen der kaufkräftigen Maschinenbediener harren17.

Der so gewachsene Output an CO2 und CH4 legt sich als schützende Gashülle um die Erde. Wie man aus der Geschichte weiß, ist Protektionismus allerdings keineswegs immer positiv. Die CO2– und CH4-Gase verhindern das Abstrahlen von Wärme von der Erdoberfläche.

Neben den positiven Effekten der Erderwärmung – infolge des ansteigenden Meeresspiegels werden sowohl New York als auch Miami in absehbarer Zukunft nur noch von Tauchern besucht werden können – gibt es auch bedauerliche Kollateralschäden wie das vermutliche Aussterben der Großen Höckerschrecke (Arcyptera fusca) und des Eisbären (Ursus maritimus).

Die Ideologie der neuen Wirtschaftsweise

Der ideologische Kern der säkularen Weltanschauung der Moderne lässt sich auf einen Begriff bringen: Menschenrechte. Dass alle Menschen, also nach dem Verständnis des Jahres 1776 alle weißen Männer, gleich geboren und mit gleichen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind, darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück, ist eine Aussage, die in Variationen wie ein Mantra seit 233 Jahren hergebetet wird18. Das Widerkäuen hat allerdings nicht dazu geführt, den Realismusgehalt dieser Zielsetzung zu erhöhen19. Ein Blick in eine beliebige Nachrichtenquelle zeigt, dass Kriege, Vertreibung, bewusst erzeugter Hunger und Versklavung und Vergewaltigung nach wie vor auf der Tagesordnung der dem Kapitalismus verfallenen menschlichen Rasse stehen – wie sollte es auch anders sein.

Das eigentliche Problem ist damit jedoch noch nicht benannt. Der Kern der Menschenrechte und damit der Kern des menschlichen Selbstverständnisses verbietet es Homo sapiens sapiens, das Leben seiner Spezies als eine von den Rahmenbedingungen der Erde abhängige Variable zu betrachten20. Er verbietet es dem Menschen, eine effiziente Bevölkerungsplanung zu betreiben. Das Ergebnis dieses Denk- und Handlungsverbots, genährt durch mangelnde Bildung und fehlende soziale Sicherungssysteme, traditionell und/oder religiös motivierte Fruchtbarkeitswünsche, kombiniert mit medizinischen Fortschritt, der mitunter sogar die Hungerregionen Afrikas erreicht, lässt sich an Zahlen ablesen: Heute21 leben 6 825 147 000 Menschen auf unserem Planeten, und täglich kommen 227 000 dazu. Für 2050 rechnet die Statistik mit neun Milliarden.

Von den 6 825 147 000 Menschen werden 5 825 147 000 Menschen vor allem von einem Motiv getrieben: Gier. Denn die meisten heute auf der Erde lebenden Menschen haben Zugang zu Massenmedien und wissen dank deren Informationen um den materiellen Lebensstandard in den Industrieländern. Ihr Bestreben geht dahin, an diesem Luxus teilzuhaben. Das wird sich, gleichbleibende Bedingungen unterstellt, aus Gründen der Ressourcenknappheit nicht realisieren lassen. Schon heute ist der ökologische Fußabdruck der Menschen so groß, als hätten sie nicht eine, sondern vier Erden zur Verfügung.

Die Folgen der neuen Wirtschaftsweise

Die neue Wirtschaftsweise erlaubt jedoch keine gleichbleibenden Bedingungen, sondern greift tief in die Ökologie ein, wie wir gezeigt haben. Die Vernutzung22 fossiler Brennstoffe und der damit verbundene Ausstoß von Treibhausgasen hat seit dem Beginn der Industriellen Revolution weltweit, verstärkt registrierbar in den Polarregionen, zu einem Temperaturanstieg geführt, der – siehe oben – einen Klimawandel als unausweichlich erscheinen lässt.

Wir sehen nicht nur einem Anstieg des Meeresspiegels und einem dramatischen Artensterben, sondern auch dem Auftauen der Permafrostböden und der Verschiebung von Vegetationszonen ins Auge. Nicht nur die Zerstörung ganzer Küstenregionen, Flüchtlingsströme bisher nicht gekannten Ausmaßes, Hungersnöte und Wassermangel werden die Folge sein. Dazu kommt der Zusammenbruch der auf Erdöl basierenden Produktionsweise: Peak Oil, der Moment der höchstmöglichen Förderung, ist überschritten, die Vorräte gehen zur Neige.

Die Menschliche Reaktion

„Irren ist menschlich“, weiß der Volksmund, und vox populi ist bekanntlich vox dei23. „Es irrt der Mensch, solang er strebt“, wusste Goethe zu sagen, und dem können wir uns nur anschließen. Solange der Mensch nämlich nach Profit strebt und sich den Teufel24 um den kleinen Planeten schert, dem er sein Dasein verdankt, irrt er ganz gewaltig. Aber sein Freund Schiller25 ist da ganz anderer Meinung:

„Nur der Irrtum ist das Leben,

Und das Wissen ist der Tod.“ 26

Nun denn, Ihr Menschen!

Lebt und irrt und gehorcht so dem Gesetz Eurer Spezies: Wagt nicht zu wissen27, denn das wäre Euer Tod. Haltet es nur nicht mit Descartes und seinem Prinzip: „Cogito, ergo sum!“ Schon Cäsar wusste: „Er denkt zuviel, solche Leute sind gefährlich.“28

Honi soit qui mal y pense. 29

Oder gar: Honi soit qui pense?

Conclusio

Also doch: Pffffffttttttt.

Schade eigentlich. Trotz allem.

P.S.

Ich danke, wie immer, meiner Sekretärin.


Fußnoten:

  1. Wie ich den Chef kenne, wird er das nicht schaffen. Die Sekretärin (Zurück)
  2. Wir müssen sogar zugeben, das wir das Scheitern menschlicher Versuche der Problembewältigung sogar aktiv gefördert haben. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an „Grizzys Plan“ . (Zurück)
  3. Ein französischer Philosoph, den nicht zu kennen kein Fehler ist. (Zurück)
  4. Gemeint sind ethische, nicht ökonomische. (Zurück)
  5. Huch, was ist mit dem Chef los? So kenne ich ihn gar nicht. Die Sekretärin (Zurück)
  6. „Autos kaufen keine Autos“ soll schon Henry Ford festgestellt haben. Allerdings ist Geld als Kapital auch ein Problem der Moderne, verselbständigt es sich doch immer wieder mit Hilfe der Börsen und Banken, scheint zunächst im Überfluss vorhanden zu sein und fehlt dann plötzlich auf dramatische Weise. Kurz, dem Kapitalismus wohnt der Crash inne, was für die Beteiligten ärgerlich ist, für das System aber nicht tödlich. Deshalb widmen wir diesem Phänomen lediglich eine Fußnote.(Zurück)
  7. Wusste ich‘s doch, dass der Chef das mit der Verständlichkeit nicht hinkriegt. Die Sekretärin (Zurück)
  8. Hilfe, jetzt ist der Chef auch noch unter die Physiker gegangen! Die Sekretärin (Zurück)
  9. Also seit der Mensch sesshaft geworden ist und Landwirtschaft betreibt. Die Sekretärin (Zurück)
  10. Wir hätten an dieser Stelle natürlich auch von Fäkalien sprechen können, aber schließlich haben wir versprochen, uns allgemeinverständlich auszudrücken. (Zurück)
  11. Der Chef meint damit Verbrauch. Die Sekretärin (Zurück)
  12. Der Chef meint damit Methan. Die Sekretärin (Zurück)
  13. Das ist mal wieder typisch für den Chef! Er macht es wie sein großes Vorbild Karl Marx: Wenn dem kein deutsches Synonym eingefallen ist, hat er auch einfach frech die entsprechende englische oder eine andere ausländische Vokabel in seine Texte eingesetzt, um Wortwiederholungen zu vermeiden. „Forces“ heißt schlicht „Kräfte“. Die Sekretärin (Zurück)
  14. Gottheit des Chefs. Die Sekretärin (Zurück)
  15. Der komplexen prinzipiellen philosophischen Frage, ob sich Teile von Tussis Schöpfung jemals erschöpfen können, werden wir uns ein anderes Mal widmen. (Zurück)
  16. Der Chef will sagen, dass die Maschinen nicht pupen. Die Sekretärin (Zurück)
  17. siehe oben: Hamburger (Zurück)
  18. vgl.Unabhängigkeitserklärung der USA (Zurück)
  19. Wie wir oben gezeigt haben, erzeugt Widerkäuen in der Regel einen unangenehmen Gestank. (Zurück)
  20. Säkularisierung hin oder her: der alte Adam hat die Idee der Gottesebenbildlichkeit doch herzlich gerne! (Zurück)
  21. 23.11.2009. Nachzulesen bei www.weltbevoelkerung.de (Zurück)
  22. Allerdings ist fraglich, ob man von „Nutzen“ reden sollte, wenn Öl in Ottomotoren verbrannt wird, um sich mit dem Auto von „A“ nach „B“ zu begeben. Dabei bewegt sich nämlich das Auto und nicht der in ihm sitzende Mensch, der hinter dem Steuer Kartoffelchips in sich hineinstopft und seine Adipositas päppelt. Aber das ist auch schon wieder ein anderes Problem. (Zurück)
  23. Ich bitte Tussi um Entschuldigung. (Zurück)
  24. Der Teufel ist lediglich eine plumpe christliche Erfindung, aber wegen der Sprachgewalt hat er hier seinen Platz. (Zurück)
  25. zumindest behauptet das Rüdiger Safranski (Zurück)
  26. Schiller, Kassandra (Zurück)
  27. vgl.Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? (Zurück)
  28. Shakespeare, Julius Cäsar I, 2 (Zurück)
  29. Edward III., nachdem er angeblich ein Strumpfband aufgehoben hat. (Zurück)

Nach oben!

Kulle träumt

Kulle

Kulle wälzte sich unruhig im Schlaf hin und her. Es war Februar, die Tage waren schon merklich länger geworden, die Meisen kämpften um Reviere, Schneeglöckchen hatten sich aus dem frostigen Boden gekämpft – kurz, der Frühling kündigte sich an. Und mit ihm wurde der Schlaf der Bären flacher, traumanfälliger.

Er durchstreifte eine Ebene mit sattem jungem Gras, Blumenwiesen und blühenden Obstbäumen und trottete auf ein großes Objekt zu, unverkennbar ein Artefakt, denn es war rechteckig, vielleicht sogar quadratisch. Beim Näherkommen erkannte er, wie riesig es war. Er braucht eine Ewigkeit, um es zu erreichen. Die Begrenzung bildete ein hohe Umzäunung. Er konnte nicht hineinschauen, was hauptsächlich an der Werbung lag, die die Einhegung flächendeckend zierte. „Bei uns ist es fein, kommt doch herein!“ hieß es da; auch „Komm ins Team!“ und „Spaß und Erfolg? Hier bist Du richtig!“ Es gab aber nicht nur Sprüche, sondern auch verlockende Zeichnungen und Fotos: von Golfplätzen, Tennisplätzen, berühmten europäischen Wahrzeichen und immer wieder von lachenden Kindern und Jugendlichen.

Kulle bemerkte, dass er direkt auf einen Eingang zusteuerte, obwohl es hier weder Weg noch Steg gab. Aber auch als er unmittelbar vor dem Zugang stand, war ihm der Blick nach innen immer noch verwehrt, denn die Drehtür hatte undurchsichtige Wände. Die Tür kommunizierte mit ihm, als er sich näherte – sie begann sich zu bewegen, im Uhrzeigersinn wie alle Drehtüren, dann aber ein kleines Stückchen zurück und wieder ein größeres vor. Sie schien ihn locken zu wollen.

Kulle ließ sich verführen. Er trat ein. Die Drehtür stand still und ließ sich auch mit Gewalt nicht mehr zur kleinsten Bewegung bringen. Er war gefangen.

Kulle sah Tretmühlen vor sich, nichts als Tretmühlen, alle in Rotation gehalten von Menschen, die ihre letzen Kräfte aufbrachten, um sie zu bewegen. Sie hatten nicht nur gegen die Trägheit der Maschinen zu kämpfen, sondern auch mit vielerlei Widerständen: Bücher und Hefte flogen in ihren Hamsterrädern herum, verursachten ihnen blaue Flecken und Schmerzen, und immer wieder steckten Bretter oder andere feste Gegenstände irgendwo im Getriebe und blockierten die Arbeit.

Die Zwangsarbeiter stöhnten, schrieen und baten um Gnade, aber das stieß nur auf Spott bei der Vorsteherin des – Lagers – Kulle fand dafür kein anderes Wort -, die plötzlich erschien.

„Durchhalten! schrie sie. „Ich halte schließlich auch durch, jetzt schon ein Jahr lang. Was sind dagegen eure läppischen 30 oder 35 Jährchen? Lasst uns zusammenhalten, noch mehr als bisher. Die nächsten beiden Jahre werden die schlimmsten, die wir durchstehen müssen. Und deshalb müssen wir alle unser bestes geben, auch die Weicheier – äh, die nicht so Belastbaren.“

Erst jetzt bemerkte Kulle, dass es neben den riesigen ungeschlachten trägen Tretmühlen auch kleinere gab, leichtere, in denen weniger Widerstände die Arbeit behinderten. Aber das änderte sich schlagartig.

„Simsalabim!“ rief die Vorsteherin, und sofort waren auch die kleinen Tretmühlen große Hamsterräder.

„Seht ihr,“ schrie sie triumphierend, „so schaffen wir es!“

Tatsächlich – für eine kleine Weile schien das System besser zu funktionieren als vorher, aber dann stand ein Rad nach dem anderen still.

„ICH KANN ES NUN NICHT MEHR!“ hauchte eine körperlose Stimme über das Gelände, und dann trat Stille ein. Lautlos fiel die gesamte Anlage in sich zusammen, und zum Schluss brach auch die Umfriedung nieder. Die Gegend war wieder unberührt, als hätte es dort nie etwas anderes gegeben als sattes junges Gras, Blumenwiesen und blühende Obstbäume.

Kulle wachte auf und rieb sich die Augen. Wie immer war er empört darüber, dass er seine Träume nicht steuern und oft nicht erklären konnte. So ging es ihm auch diesmal. Aber dieser Traum, da war er sich sicher, hatte etwas zu bedeuten. Irgend etwas. Er würde es herausfinden.

Geld

Um halb neun erst ging die Sonne im Dezember in Dehland auf, und acht Stunden später war sie schon wieder tief unter dem Horizont verschwunden. Ordentliche Braunbären verschliefen solche unwirtlichen Jahreszeiten weitgehend, aber Bärdel und Kulle waren dafür allmählich zu alt. Sie litten unter Schlafstörungen und zelebrierten deshalb ihre traditionellen Morgenspaziergänge auch an manchem Tag in der dunkelsten Jahreszeit.

Bärdel

Heute begann Bärdel ihren Dialog: „Kulle, was ist Geld?“

Kulle

Der kleinere Kulle schaute den größeren Bärdel an und griente: „Was, mitten im Winter willst Du philosophieren?“

„Zum Witze machen bin ich denn doch zu müde“, brummte Bärdel. „Ich habe Dir eine ökonomische Frage gestellt, eine leichte Frage, dachte ich, und sonst gar nichts.“

„Die Frage ist aber auch höchst philosophisch“, widersprach Kulle. „Die Königsfrage der Philosophie lautet doch wohl: Was ist der Mensch? Hör Dir dazu mal eine Antwort an! ‚So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft. Die Eigenschaften des Geldes sind meine – seines Besitzers – Eigenschaften und Wesenskräfte. Das, was ich bin und vermag, ist also keineswegs durch meine Individualität bestimmt.

Das Geld ist das höchste Gut, also ist sein Besitzer gut, das Geld überhebt mich überdem der Mühe, unehrlich zu sein; ich werde also als ehrlich präsumiert; ich bin geistlos, aber das Geld ist der wirkliche Geist aller Dinge, wie sollte sein Besitzer geistlos sein? Das Geld verwandelt die Treue in Untreue, die Liebe in Hass, den Hass in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in den Herrn, den Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn.‘ Na?“

„Von wem ist das denn?“

„Von wem wohl – vom größten Philosophen aller Zeiten natürlich. Marx, aus den ökonomisch-philosophischen Manuskripten.“

„Gut erkannt, finde ich. Die Menschen haben Haben und und verwechseln das mit Sein. Aber Dein Meisterphilosoph war im Nebenberuf, wenn ich das so formulieren darf, doch auch Wirtschaftswissenschaftler und hat sicher auch eine ökonomische Antwort auf meine bescheidene Frage gegeben: Was ist Geld?“

„Mehrere Antworten sogar. Es kömmt drauf an, ob Geld als Geld oder als Kapital genutzt wird. Im ersten Fall haben wir den Kreislauf W – G – W vorliegen, im zweiten Fall haben wir es mit G – W – G‘ zu tun. Beide unterscheiden sich…“

„Langsam, bitte! Eins nach dem anderen!“

„Gut. Also im ersten Fall ist Geld nur ein allgemeines Warenäquivalent. Man kann den Tauschwert aller Waren in Geld verwandeln und das Geld umgekehrt in die Waren, die man haben möchte.“

„Das heißt, Geld ist ungemein praktisch. Wenn ich eine Ware A habe und eine Ware B suche, muss ich nicht ewig nach jemandem suchen, der B hat.“

„Ganz genau“, stimmte Kulle zu. „So weit, so gut. Leider hat das praktische System aber auch seine Tücken.“

Lass mich raten. Ich vermute, das Ganze geht schief, wenn es mehr Geld gibt als Warentauschwerte. Oder weniger. Richtig?“

„Richtig. Im ersten Fall gibt es Inflation, alles wird immer teurer, weil es zu viel Geld gibt. Wenn zu wenig Geld vorhanden ist, kaufen die Leute nichts, und das ist zwar gut für die Umwelt, nicht aber für die Produzenten. Sie senken deshalb die Preise, und die Menschen kaufen noch weniger, weil sie erwarten, dass in Zukunft alles noch billiger sein wird. Und schon haben wir die schönste Deflation.“ Kulle machte eine gekonnte Kunstpause. „Zumindest in der Theorie.“

„Ach, nicht in der Realität?“ Bärdel wusste genau, womit er seinem eitlen Freund eine Freude machen konnte.

„Nein, jedenfalls nicht immer. Nicht in den letzten Jahrzehnten. Ich habe keine Ahnung, wer einen genauen Überblick darüber hat, wie viel Geld es auf der Welt gibt. Vielleicht Ben Bernanke. aber auch das bezweifle ich. In Bezug auf eine Aussage sind sich alle Ökonomen gegenwärtig jedoch einig, ob sie nun Neocons sind oder Sozialisten: In den letzten 40 oder 50 Jahren ist die Geldmenge viel schneller gestiegen als das BIP. Manche gehen von einem fünffachen Wert aus, andere vom zehnfachen. Wir haben es also mit der Grundlage einer wunderschönen Inflation zu tun. Theoretisch jedenfalls.“

„Du wirst mir das bestimmt gleich erklären können.“ Bärdel mimte den Hilflosen.

„Kann ich,“ tönte Kulle, von keinerlei Selbstzweifel geplagt. „Jetzt wird der zweite Geldkreislauf interessant: G – W – G‘. Früher haben die Kapitalisten aus Geld mehr Geld gemacht, indem sie die an sie verkaufte Arbeitskraft ausgebeutet haben. Danach haben sie die Produkte zum wirklichen Tauschwert verkauft, und fertig war der Profit. Ein in der Regel maßvoller Profit, aber ein Profit. Jedoch ist das Kapital, das scheue Reh, stets auf der Suche nach mehr. ‚Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.‘ Ist natürlich auch von Marx.

Neuerdings gibt es also einen riesengroßen Luftballon voller Geld. Dieses Geld darf man nicht einfach für Dinge des täglichen Bedarfs ausgeben, denn sonst haben wir die schönste Inflation. Auch Kapitalisten kennen die ökonomische Theorie, wenigstens zum Teil. Was also sollen sie machen?“ Kulle sah Bärdel auffordernd an.

„Vielleicht spielen?“ schlug Bärdel vor. „Den Luftballon ein bisschen schubsen, mal hierhin und mal dorthin, in der Hoffnung, dass jemand reinpustet und ihn noch größer macht. Dieses Spiel beinhaltet allerdings auch das Risiko, dass jemand eine Nadel in den Ballon piekst, und dann: Pfffffftttt…“ Bärdel war sich ziemlich sicher, dass Kulle zumindest seine Lieblingsmetapher wiedererkennen und sich mit einer herzhaften Rauferei für das Plagiat ‚bedanken‘ würde, aber nichts dergleichen geschah.

„Das mit dem ‚Pfffffftttt‘ hätte glatt von mir sein können“, kommentierte Kulle anerkennend. „Im übrigen hast Du recht. Sie hatten einen Geldluftballon, eine Finanzblase, und sie haben gespielt. Haben gezockt. Haben neue sogenannte ‚Produkte‘ erfunden, in die man investieren konnte. Wie hoch wird in einem Jahr der Weizenpreis sein? Alte Idee. Aber: Wie hoch wird der Kurs der Börse in Tokio in 53 Tagen sein? Wird er im Rhythmus von zehn Tagen in den nächsten sechs Monaten steigen oder fallen? Wie hoch ist der Prozentsatz, um den er steigt? Oder fällt? Was macht er an welchen Stichtagen? Bessere Ideen, kompliziertere Ideen, neuere Ideen – riskantere Ideen.“

„Ich verstehe“, sagte Bärdel. „Glücksspiel pur. Aber Glücksspiel ist nur was für Leute, die es sich leisten können. Die meisten Menschen sind doch Habenichtse, auch in den sogenannten reichen Ländern. Hat es gereicht, nur mit den Reichen zu spielen, um genug Profit machen zu wollen?“

„Nein, hat es nicht. Die guten alten warenproduzierenden Kapitalisten haben sich in die Gewänder moderner Kredithaie geworfen und den Habenichtsen genug Geld versprochen, um endlich ihre irdischen Träume verwirklichen zu können. Dabei haben sie ihre Reißzähne natürlich versteckt – und erst später hat sich herausgestellt, dass sie gar keine hatten.“

„Zahnlose Haie? Geld für Habenichtse? Ich verstehe gerade gar nichts!“

„Das verstehe ich gut. Lass Dich entführen in das Land des Geldes, in dem auf jeder Dollarnote steht: ‚In God we trust“, in das Land der Freien, in dem jedem und allmählich auch jeder und neuerdings vielleicht sogar den Negern, die nicht mehr so heißen, weil das politisch inkorrekt ist, obwohl sie es sind, was die Statistik der Gefängnisinsassen auf den ersten Blick belegt, auch wenn der neue Präsident jetzt braun ist, in dem also Geld und Gottvertrauen für die Freien identisch sind und in dem jeder das Recht hat, sein Glück oder – je nach Übersetzung – seine Glückseligkeit zu verfolgen – und vielleicht gar zu realisieren?“

Kulle war der Zorn anzuhören, der Zorn über die Hybris der Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, über die gesellschaftliche Realität der Vereinigten Staaten von Amerika und über seine eigene aktuelle Unfähigkeit, seine Kritik angemessen zu artikulieren.

„Entschuldigung!“ murmelte er. „Manchmal…“

„Manchmal verhindert alle bärische berechtigte Verachtung des Menschengeschlechts nicht, dass wir uns über den sogenannten Homo sapiens sapiens kräftig ärgern. Mach ich ja auch. Aber erklär mir die Sache bitte trotzdem“, bat Bärdel.

Kulle riss sich zusammen.

„Habenichtse haben nichts, haben kein Haben. Das wollen sie unbedingt ändern. Sie wollen ein Auto, einen Flachbildschirm, ein Haus, und alles immer im Komparativ. Haben zählt nur, wenn es größer ist als das des Nachbarn. Wie kommt man dazu, wenn man kein Geld hat? Über einen Kredit natürlich. Der Kredit kann Kreditkarte heißen oder Hypothek oder Konsumentenkredit – egal. Ein Kredit ist Geld, das man nicht hat und das man trotzdem ausgeben kann.“

„Hm“, sagte Bärdel, und jetzt war seine Nachdenklichkeit nicht gespielt. „Ich begreife, was die Habenichtse wollen – oder gewollt haben. Nein, wollen. Sie sind vermutlich unverbesserlich. Was ich nicht verstehe, ist, wer ihnen Geld geliehen hat – und warum.“

„Wer? Natürlich die Kredithaie! Und warum? Haie wollen fressen! Sie haben darauf gesetzt, ihr Geld zurückzukriegen!“

„Kulle!“ Bärdel geriet selten außer Fassung, aber jetzt war er kurz davor. „Kulle! Was ist mit Deiner Logik los? Wie bekommt man Geld von jemandem, der kein Geld hat?“

Kulle ließ sich Zeit. „Mit meiner Logik ist alles in Ordnung. Übrigens spreche ich nicht von mir. Unter welchen Bedingungen kann man Geld zurückbekommen, das man Habenichtsen zu Konsumzwecken zur Verfügung gestellt hat? Na? Wie sieht da wohl die Kredithai-Logik aus?“

„Das kann eigentlich nur klappen, wenn der Wert der Konsumgüter immer weiter steigt“, brummte Bärdel zögernd. „Aber das ist doch Unsinn. Ein Gebrauchtwagen ist weniger wert als ein neues Auto, das weiß doch jedes Bärenkind!“

„In Bezug auf Autos hast Du völlig Recht, und eigentlich sollte das für alle Waren gelten. Allerdings ist es schon wiederholt gelungen, dieses Gesetz bei Immobilien außer Kraft zu setzen – in der Vergangenheit in Japan, aktuell in Spanien, Großbritannien und, was am wichtigsten ist, in den USA. Die Häuser der Habenichtse wurden von Tag zu Tag wertvoller, und so war es den ‚Besitzern‘ ein Leichtes, eine alte Hypothek zurückzuzahlen, und zwar mit einer neuen, höheren. Von dem Zusatzgeld kauften sie sich was Schönes…und alles wäre gut, wenn das immer so weiter gegangen wäre. Ist es aber nicht. Eines Tages fielen die Preise, Schluss war mit dem Extrakonsum, und die Kredithaie sahen mit offenen Mäulern zahnlos zu, wie ihre Hypotheken sich in Luft auflösten – von Habenichtsen konnten sie nichts holen.“

„Dann ist doch endlich wieder alles gut!“ freute sich Bärdel. „Das Geld, das futsch ist, war doch sowieso zu viel, hast Du gesagt.“

„Deine Bewertung gilt für den Kreislauf W – G – W, wenn Geld nur als Tauschmittel fungiert. Hier aber bewegen wir uns in dem anderen Kreislauf G – W – G‘, es geht um Geld als Kapital. Und das ist vernichtet worden – der Horror jedes Kapitalisten. Nichts ist also gut.“

„Na und? Dann sollen die Menschen eben einen neuen Anlauf nehmen, wenn es sein muss, einen neuen kapitalistischen. Wie hast Du das vorhin gesagt: ‚ Früher haben die Kapitalisten aus Geld mehr Geld gemacht, indem sie die an sie verkaufte Arbeitskraft ausgebeutet haben. Danach haben sie die Produkte zum wirklichen Tauschwert verkauft, und fertig war der Profit.'“

„Wahrscheinlich würden die Menschen das gerne tun, aber dazu fehlt ihnen das Geld“, gab Kulle zu bedenken.

„Wieso?“ Bärdel verstand das nicht. „Es ist doch immer noch genug Geld da!“

„Geld ja, aber nicht genug. Nach dem Flop mit den Hypotheken leiht nämlich niemand niemandem mehr was, aus Angst, sein Geld nicht zurückzubekommen. Du siehst, das Hegelsche Pendel schlägt zu.“

Bärdel wusste nichts von einem Hegelschen Pendel, und dass ein Pendel zuschlagen konnte, war ihm auch neu, aber er hatte begriffen, dass es um Kredite ging. „Wer will oder muss sich denn jetzt nach all dem noch Geld leihen?“ fragte er verwirrt.

„Na, die Produzenten natürlich“, antwortete Kulle und pflückte eine einsame Hagebutte, die er im ersten Morgenlicht erspäht hatte, von einem Strauch. „In Dehland sind die produzierenden Betriebe im Schnitt nur zu 20% eigenkapitalfinanziert, wusstest Du das nicht?“

„Willst Du damit sagen…“ Bärdel war so perplex, dass er gar nicht auf die Idee kam, sich auf die zweite sichtbare Hagebutte zu stürzen, obwohl die Früchte der Heckenrose zu seinen Lieblingsspeisen gehörten. „Willst Du damit sagen, dass ein neuer Wirtschaftsanlauf auch nur auf Pump möglich ist?“

„Exakt!“ Kulle stimmte heiter zu und pflückte sich die zweite Hagebutte. Als er die Fruchtschale zusammendrückte und zum Platzen brachte, entstand ein leises ‚Pfffffftttt‘.

„Meine Tussi!“ flüsterte Bärdel.

Augenleben

Wie alle Bärenlebener schätzte Tumu Marx‘ ideales Lebensmotto: morgens Sammler, nachmittags Fischer, abends kritischer Kritiker zu sein, und natürlich hielt sie sich nicht sklavisch an dessen Reihenfolge. Heute hatte sie sich am helllichten Vormittag in die Bibliothek begeben, um nach geeigneten Gutenachtmärchen für die Eisbärenkinder zu suchen. Nanuk waren zwar sehr intelligent und wussten dank Attis und Kulles Bemühungen auch schon sehr viel, aber oft waren sie noch die reinsten Kindsköpfe.

Tumu

Unter den Stichworten „Bärenmärchen“ und „Bärengeschichten“ fand sie im elektronischen Katalog „Stories of Winnie-the-Pooh“ und rief den Text auf. Bald musste sie laut lachen: Der Mensch, der das geschrieben hatte, kannte sich mit Bären gar nicht schlecht aus! Der wusste zum Beispiel. dass Bären fast immer an Honig denken, wenn sie zum Beispiel ein Summen hören oder eine Biene sehen. Schmunzelnd wollte Tumu Winnie beim Erklettern einer hohen Eiche verfolgen, weil er in ihrem Wipfel einen Bienenstock vermutete, als sie plötzlich mit dem rechten Auge nur noch Farben sah. Schönste Regenbogenfarben. Aber eben keinen Bildschirm mehr, keine Buchstaben, keine Bibliothek.

Sie kniff das rechte Auge zu. Links war alles, wie es sein sollte.

Sie blinzelte mit beiden Augen. Öffnete sie. Rechts blieb der Regenbogen.

Sie bekam Angst.

Einäugig fand sie den Weg ins Labor. Alle nannten die Höhle, in der Manfred unumstrittener Herrscher war, so, aber eigentlich war sie seine Kommandozentrale. Sein Bärenlebener Technikzentrum. Und sein Lagerplatz für alles das, was er irgendwann einmal an sich gebracht, wofür sich aber bisher keine Verwendung hatte finden lassen.

Manfred

„Manfred!“ Tumu stieß sich wegen ihrer ungewohnt eingeschränkten Sicht schmerzhaft die Schulter an der Wand. „Au!“

„Mama, was ist los?“

„Ich habe da noch was, warte mal,“ murmelte Manfred, nachdem Tumu mit ihrer kurzen Erklärung fertig war. Er war ein Sammler. Nie hatte er sich damit zufrieden gegeben, nur das zu erwerben – was immer erwerben auch heißen mochte -, was er unmittelbar verwenden konnte. ,Man kann ja nie wissen‘ war sein Motto – und jetzt machte es sich bezahlt. Er kramte im Hintergrund seiner Schatzkammer herum, kam mit einem riesigen Karton wieder zum Vorschein und begann auszupacken.

„Das dauert jetzt noch einen Moment“, sagte er. „Ich muss erst mal die Betriebsanleitung lesen. Aber das hier ist genau das, was wir brauchen: Augendiagnostik mit Gesichtsfeldmessung und etlichem anderem Schnickschnack.“

Tumu setzte sich und schloss die Augen. Ihre Nerven spielten ihr einen Streich: Die Regenbogenfarben tanzten weiter. Die Angst tanzte mit.

„Okay, Mama“, sagte Manfred schließlich. „Komm mal her. Jetzt finden wir raus, was mit deinen Augen los ist!“ Zehn Minuten später stand sein Urteil fest: „Im rechten Auge hast Du einen großflächige Netzhautablösung. Das muss umgehend operiert werden. Sonst verlierst Du Dein Augenlicht. Du musst ins Krankenhaus.“

Plötzlich war Tumu völlig ruhig. Sie akzeptierte das Urteil. In Zukunft würde sie also auf dem rechten Auge nichts mehr sehen. Nun gut. Bären waren sowieso kurzsichtig, allesamt. Bären waren Nasentiere. Ihre Nase funktionierte ausgezeichnet. Sie würde zurechtkommen.

„Nein, das muss ich nicht. Wir dürfen das nicht riskieren. Vielleicht merken die Menschen nicht gleich, dass ich eine Bärin bin, aber später werden sie mich verfolgen mit ihren Rechnungen und Nachuntersuchungen. Sie werden Bärenleben finden, und dass das nicht passieren darf, brauche ich Dir nicht zu erklären.“

Manfred nickte. Dann schüttelte er den Kopf. „Aber, Mama…“

“Jetzt halt mal die Klappe, Jungstinker! Und mach uns hier bitte Platz! Deine kluge Mutter hat völlig recht. Ich kann Eure ganze Mischpoke schließlich nicht dauernd durch die Gegend transportieren. Aber eine kleine Netzhautfestklebung sollten wir mit Bordmitteln schon hinkriegen, hihi! Erstmal brauchen wir einen ordentlichen Operationstisch.“

Tumu hörte ein Summen und Brummen, ein Schwirren und Sirren, ein Sausen und Brausen. Mit dem gesunden Auge sah sie, dass die Luft zu tanzen begann. Aus allen Richtungen kamen Blattschneiderbienen, Blutbienen, Buntbienen, Düsterbienen, Erdbienen, Filzbienen, Fleckenbienen, Furchenbienen, Glanzbienen, Graubienen, Harzbienen, Holzbienen, Hosenbienen, Hummeln, Kegelbienen, Kuhhornbienen, Kraftbienen, Kurzhornbienen, Langhornbienen, Löcherbienen, Maskenbienen, Mauerbienen, Mörtelbienen, Pelzbienen, Sandbienen, Sandgängerbienen, Sägehornbienen, Schenkelbienen, Scherenbienen, Schienenbienen, Schlürfbienen, Schmalbienen, Schmuckbienen, Schwebebienen, Seidenbienen, Spiralhornbienen, Steinbienen, Steppenbienen, Steppenglanzbienen, Trauerbienen, Wespenbienen, Wollbienen, Zottelbienen und Zweizahnbienen angeflogen. Aller Wachsdrüsen arbeiteten auf Hochtouren.

Tumu und Manfred trauten ihren Augen nicht, Es dauerte nur ein paar Minuten, bis die Insekten ein Wachsbett modelliert hatten, in dem das Basrelief einer liegenden Tumu ausgespart worden war. Nach einem abschließenden Kontrollflug brumselte eine dicke Hummel als letzte davon.

„Danke, KInder! Ihr habt was bei mir gut! Und nun, meine Liebe – mach es Dir im OP gemütlich!“

Natürlich hatte Tumu Tussis Stimme schon beim ersten Mal sofort erkannt. Alle Angst war verflogen. Wenn Tussi etwas in die Hand nahm, brauchte niemand sich mehr Sorgen zu machen, und schon gar keine Bärin in Bärenleben. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, legte sie sich auf und in das Kunstwerk der Bienen. Es schmiegte sich perfekt an ihren Körper.

„Alles klar, wie ich sehe. Entspann Dich. Entspann Dich wirklich – die besten Operateure der Welt sind eben nicht Säuger, sondern Krabbeltiere – wahrscheinlich ist das für Dich gewöhnungsbedürftig. Aber alles mit Tussi-Garantie!“

Tumu lächelte, allerdings nur zwei Sekunden lang. Dann spürte sie, wie es auf ihrem Gesicht krabbelte. Es mussten viele sein, auch wenn ihr klar war, dass jeder – jede – jedes – oh, fiel ihr ein, eigentlich wusste sie nichts von Krabbeltieren, noch nicht mal etwas über deren Geschlecht – sechs Beine hatte. Oder sogar acht, falls es Spinnen waren. Oder Dutzende, wenn es sich um Tausendfüßler handelte.

„Gaaanz ruhig!“ kommandierte Tussi. „Zu Deinem rechten Auge ist gerade eine Eliteeinheit roter Waldameisen unterwegs. Sie werden sich unter Deinem Auge versammeln, und dann werden sie Dich alle gleichzeitig beißen – Ameisensäure ist ein perfektes Anästhetikum! Vom Rest der Operation wirst Du nichts mehr spüren.“

Manfred bekam große Augen, biss sich aber auf die Zunge. Tussi wusste immer, was sie tat, beruhigte er sich. Oder versuchte es wenigstens.

Tumu registrierte ein Ende des Krabbelns und bekam gleich danach einen ordentlichen Stich versetzt – oder wohl eher einen Biss, wie Tussi gesagt hatte.

„Und jetzt“, verlangte Tussi, „machst Du Deine Augen zu. Vor allem das rechte. Nicht erschrecken – ich helfe in bisschen nach!“

Tumu erwartete einen kühlen Froschfinger auf ihrem Gesicht, aber stattdessen verspürte sie pelzige Wärme über dem rechten Auge und roch etwas – Sumpf und Moschus.

„Das ist Freundin Bisamratte“, informierte sie Tussi. „Ihre Geruchsdrüsen harmonieren perfekt mit der Wirkung der Ameisensäure. Sie wird ein paar Minuten da hocken bleiben, bis die Betäubung richtig wirkt. Manchmal seid Ihr Säuger eben doch zu etwas zu gebrauchen. Aber danach übernehmen die wirklichen Künstler. Die Operation werden Blattschneiderameisen durchführen – sie sind gerade aus Lateinamerika eingereist. Die machen Dein Auge erst mal kaputt, wie Du Dir denken kannst, und implantieren Dir eine neue Linse. Die alte taugt nämlich nicht mehr viel. Die Linse hat mir eine Freundin geschenkt. Ich kenne sie zwar noch nicht lange, denn sie ist ziemlich jung, keine dreitausend Jahre, schätze ich, aber ich halte sie für vertrauenswürdig. Sie ist eine Redwood aus Nordkalifornien und produziert glasklares Harz, das schnell zu Bernstein erstarrt. Danach musst Du bloß noch zusammengenäht werden. Diese verantwortungsvolle Aufgabe übernimmt Meisterin Kreuzspinne, berühmt für ihre Fußfertigkeit und ihren extrafeinen Klebfaden. Der Weberknecht assistiert ihr natürlich. Du darfst derweil träumen – von süßen Kaulquappenkindern zum Beispiel. Aber vermutlich ziehst Du stinkende kleine Bären vor – chacun à son goût, wie der französische Frosch sagt. Und jetzt geht‘s los!“

Tumu überließ sich willig ihren Operateuren, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Sehnerv ein aufregendes Eigenleben beginnen würde. Kaum war ihr Auge weg‘, wie sie den ersten Schritt des Eingriffs für sich übersetzte, da entfaltete sich eine Farbenpracht, wie sie sie noch nie zu sehen bekommen hatte. Sie verzichtete darauf, irgend etwas steuern zu wollen, und überließ sich dem Geschehen. Irgendwann setzten sich die Farben zu Bildern zusammen.

Eine Decke aus Geldscheinen, überwiegend Dollarnoten, lag locker auf dem Globus. Anfangs war sie dünn, reichte nicht aus, um den Erdball zu bedecken, bekam immer wieder Löcher, wurde notdürftig geflickt. Dann aber gewann sie an Fülle und Fläche, wurde flauschig wie ein Bett aus Eiderdaunen, bedeckte mit der Ausnahme Afrikas alle Kontinente, füllte sich prall und praller, schien ihre Hülle sprengen zu wollen. Sie wurde lebendig, hob sich in die Höhe, wollte sich losreißen, kam aber nicht fort. In geringem Abstand von der Erdoberfläche schwoll sie immer weiter und weiter an. Sie wurde so dick, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie platzen würde.

Sie platzte. Geldscheine taumelten durch den Weltenraum, verglühten in den Sternen, verschwanden in unendlichen Weiten. Ein Jammergeschrei erhob sich auf der Erde, die die Sonnenstrahlen endlich wieder erreichten. Verkrüppelte menschliche Wesen, bleich wie Höhlenbewohner, reckten ihre mageren Arme suchend in den Himmel und versuchten gleichzeitig, sich vor dem Licht zu schützen.

Tumu schüttelte nicht unwillig den Kopf, denn erstens war der perfekt in den Bienentisch eingepasst, und zweitens hätte sie nie gewagt, die delikate Arbeit der Meisterin Kreuzspinne und ihrer Mitoperateure zu gefährden. Sie verscheuchte den Traum, ohne sich zu rühren, und beherzigte Tussis Empfehlung. Die neueste Weltwirtschaftskrise lag ihr momentan weitaus ferner als zum Beispiel Na und Nuk und Gute-Nacht-Geschichten für die Kinder. Winnie-the-Pooh fiel ihr wieder ein und seine Vorliebe für Honig. In Bärenleben, beschloss sie, würden alle Gerichte künftig nur noch mit Kunsthonig zubereitet werden. Nie mehr würde sie zulassen, dass Bienen bestohlen wurden.

„Lobenswerter Vorsatz!“ kommentierte Tussi. „Wir sind übrigens fertig mit der Behandlung. In ein paar Tagen kannst Du wieder ordentlich sehen und den Kleinen Geschichten vorlesen. Ich werde mich übrigens dazu einladen – Geschichten von Bären von sehr geringem Verstand gehen mir runter wie Honig – pardon, wie Kunsthonig natürlich, hihi! Und jetzt wird geschlafen.“

Krise? Welche Krise?

Kulle

“Onkel Kulle, Onkel Kulle! Wir haben heute die Zeitung gelesen!“

Kulle war vertieft in den dritten Band der “Theorien über den Mehrwert“ und wurde vom Überfall der Eisbärenkinder völlig überrascht.

Na und Nuk

“Schön“, murmelte er zerstreut. “Aktuelle Bildung ist immer gut. Aber der sinkende Fall der Profitrate…“

“Oh, Onkel Kulle, liest Du auch gerade Zeitung?“ erkundigte sich Na.

“Unsinn. Ich lese Karl Marx.“ Zum Beweis hielt Kulle ein dickes blaues Buch in die Höhe. “Das ist ein Standardwerk und schon etwas älter als die Zeitung von heute.“

“Dann ist entweder die Zeitung von heute ziemlich veraltet, oder Dein Karl Marx war ein Hellseher“, bemerkte Nuk naseweis. “Denn wir haben eben erfahren, dass die Profite von vielen Banken mehr als sinken. Und das führt dazu, dass ihre Rate – oder ihr Rating oder so – sich verschlechtert. Wir haben das alles nicht so richtig verstanden. Deshalb sind wir hier – Du kannst uns das doch bestimmt erklären, oder?“

Geschmeichelt klappte Kulle den Band 26.3 der gesammelten Werke von Marx und Engels zu. “Ich kann es ja mal versuchen“, sagte er gespielt bescheiden. Und dann dachte er ziemlich lange nach. Denn es war gar nicht so einfach, jungen Eisbärinnen eine Subprimekrise zu erklären.

“Also…“ begann er schließlich.

“Ja?“

“Also … Ihr wollt ein Haus bauen …“

“Wollen wir gar nicht!“

“Stellt Euch vor, Ihr wollt ein Haus bauen…“

“Warum sollen wir uns das vorstellen?“

Kulle begriff, dass er mit Betroffenheitspädagogik nicht weiterkam.

“Viele Menschen in den Vereinigten Staaten wollten ein Haus bauen oder kaufen, um darin zu wohnen. Menschen brauchen eine Wohnung, das wisst Ihr doch, nicht wahr?“

Nanuk nickten – endlich redete Onkel Kulle vernünftig.

“Aber die meisten hatten dafür nicht genug Geld. Deshalb liehen sie es sich.“

“Wer ist denn so blöd, Menschen Geld zu leihen, die kein Geld haben? Bären bestimmt nicht!“

“Nein, Bären bestimmt nicht. Wir Bären haben ja auch kein Geld, und das ist gut so. Aber Menschen, die Geld haben, leihen Menschen Geld, denen Geld fehlt. Sie wollen das Geld natürlich zurückhaben, und zwar in Raten. Sie leihen den geldlosen Menschen also nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Und die Zeit lassen sie sich in Geld bezahlen. Das nennt man Ratenzahlungen.“

“Das verstehen wir. Menschen, die jetzt kein Geld haben, haben später ein bisschen Geld. Und noch ein bisschen. Und von dem bisschen zahlen sie das geliehene Geld zurück. Und die Zinsen.“

Kulle schmunzelte. “Na, Ihr habt‘s begriffen. Alles völlig unproblematisch!“

“Falsch, Onkel Kulle!“ Nuk hüpfte aufgeregt auf und ab. “Was ist, wenn die geldlosen Menschen auch später geldlose Menschen bleiben? Dann haben die Menschen, die ihr Geld verliehen haben, auch kein Geld mehr. Alle haben dann kein Geld mehr!“

“Ganz einfach!“ Kulle gab sich gelassen. “Dagegen sichern sich die Geldverleiher ab. Die Geldlosen mussten natürlich Schuldscheine unterschreiben. Diese Schuldscheine verkauften die Geldverleiher weiter. So…“

“Entschuldigung, Onkel Kulle!“ Es war offensichtlich, dass Na versuchte, höflich zu bleiben, obwohl es ihr schwerfiel. “Onkel Kulle, solche Schuldscheine kauft doch keiner!“

“Doch!“ sagte Kulle und klappte sein Buch endgültig zu. Er begriff, dass er noch viel würde erklären müssen. “Doch! Denn die Verkäufer sagten den Käufern, dass nur einige der geldlosen Menschen bezahlen werden, aber nicht alle. Sie sagten aber nicht, wie viele. Deshalb machten sie für die Schuldscheine einen Sonderpreis. Aber wenn dann keiner der geldlosen Menschen Geld hätte, wäre auch dieser Sonderpreis zu hoch. Und jetzt hätte auf einmal der Käufer der Schuldscheine kein Geld mehr. Und wenn der Käufer eine Bank wäre, dann hätten deren Kunden auf einmal kein Geld mehr, denn das Geld einer Bank ist das Geld ihrer Kunden. Dann wäre die Bank pleite. Aber eigentlich wären deren Kunden pleite.“

“Gemein!“ sagten Nanuk im Chor und mussten danach erstmal nachdenken.

“Etwas verstehe ich noch nicht, Onkel Kulle“, sagte Nuk nach einer Weile. “Warum haben die Banken geglaubt, dass die geldlosen Menschen nicht geldlos bleiben? Warum haben sie angenommen, dass sie ihre Kredite zurückzahlen können?“

“Eine sehr gute Frage!“ lobte Kulle. “Dazu braucht man eine Blase. Besser noch sind mehrere Blasen.“

Nanuk sagten nichts und fragten nichts, stattdessen wurden sie rot. Über Körperfunktionen redete man in Bärenleben gewöhnlich nicht, und für Sexualität, darin waren sich die Erwachsenen bisher einig gewesen, waren die Zwillinge zu jung. Kulle aber merkte nichts, sondern redete einfach weiter.

“Von einer Blase, besser einer Spekulationsblase spricht man dann, wenn alle Beteiligten davon ausgehen, dass die Preise in die Höhe gehen. In unserem Fall sollten die Preise für Immobilien in den USA weiter steigen, und das taten sie wirklich. Ein geldloser Eigenheimbesitzer, der in einem 40.000-Dollar-Haus wohnte, fand sich ein paar Jahre später in einem 80.000-Dollar-Domizil wieder. Er war also um 40.000 Dollar reicher, zumindest auf dem Papier. So löste er seine alte Hypothek aus und nahm eine neue auf. Die bekam er locker, denn sein Haus war ja viel wert. Und mit dem neuen Geld konnte unser Eigenheimbesitzer viel konsumieren: Autos kaufen, reisen … was Menschen eben so machen, wenn sie zu viel Geld haben.

Unser Eigenheimbesitzer heißt Joe Sixpack, in Deutschland hieße er Michel, in England John Bull…“

“Onkel Kulle!“ Nanuk klangen wirklich empört. “Onkel Kulle, was sind das denn für Leute?“

Kulle schlug sich vor die Stirn. “Entschuldigung, Symbolik haben wir euch ja noch nicht beigebracht. Also, in der politischen Rhetorik..“

“In der politischen was?“

“Ich hätte besser sagen sollen in der politischen Symbolik..“

“In was?“

Kulle gab vorerst auf. Zu den Abstrakta kommen wir besser später‘, murmelte er vor sich hin und sagte dann laut: “Das sind nur Namen für den Durchschnittsbürger. So was wie Eisbär Mustertier‘.“

Na und Nuk sahen Kulle schweigend an, ihre Mienen zwei große, geschwungene Fragezeichen.

Kulle riss sich zusammen. “Zurück zum Thema!“ verkündete er. “Die Eigenheimbesitzer haben Geld ausgegeben, das ihnen nicht gehörte, das freute die Konsumgüterindustrie; häuserlose Menschen wollten ebenfalls ein Eigenheim besitzen und nahmen dafür Hypotheken auf, und Baufirmen haben Eigenheime gebaut, denn die Nachfrage danach war offensichtlich da, und schiefgehen konnte dabei nichts, dachte man, denn Häuser wurden immer wertvoller. Drücke ich mich jetzt verständlich aus?“

Nanuk nickten begeistert.

“Ganz hervorragend, Onkel Kulle!“ lobte Nuk. “Und Du weißt bestimmt auch schon, dass wir jetzt wissen, was dabei nicht klappen kann!“

Kulle erwartete mitnichten, dass ein anderer als er komplizierte ökonomische Zusammenhänge bereits in diesem Stadium der Problemdarstellung durchschauen könnte, aber er ließ sich nichts anmerken. Schließlich war er Pädagoge genug, um die Kleinen nicht zu enttäuschen.

“Ich ahne da etwas,“ lächelte er. Ihm würde schon etwas einfallen, um die zwangsläufig falsche Analyse der Kleinen gleichzeitig zu loben und zurechtzurücken.

Na sah Nuk, die Erstgeborene, auffordernd an, und Nuk erklärte nur allzu gerne.

“Irgendwann gab es vermutlich mehr neu gebaute Häuser als nachfragende Menschen. Da Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen…“

“Kulle wand sich und hielt demonstrativ sein blaues Buch in die Höhe.

“…jedenfalls in bestimmten Grenzen…“

Kulle ließ das Buch wieder sinken.

“…dürften die Häuserpreise gesunken sein. Niemand hat mehr die neuen Häuser gekauft, und die Besitzer der älteren Häuser konnten sich kein neues Geld durch neue höhere Hypotheken beschaffen. Also haben sie ihre Schulden nicht getilgt – das haben sie vermutlich sowieso nicht getan -, aber jetzt haben sie auch keine Zinsen mehr gezahlt. Und damit saßen nicht nur die Baufirmen in der Tinte, sondern auch die Hypothekenbanken. Und alle, die die schlechten Schuldscheine der Hypothekenbanken gekauft haben.“

Jetzt hielt Na es doch nicht mehr aus, dass Nuk alle Lorbeeren allein einsammelte.

“Wir haben gelesen, wie die Hausbesitzer ohne Geld heißen, Onkel Kulle: Ninjas!“

Kulle atmete tief durch. Nuks Vortrag hatte ihn beeindruckt, aber Nas Bemerkung gab ihm Gelegenheit dazu, sich das nicht anmerken lassen zu müssen.

“Kleine Na!“ rügte er sanft. “Harmlose amerikanische Hausbesitzer sind doch keine japanischen Partisanenkämpfer!“

“Das habe ich auch nicht behauptet, Onkel Kulle,“ widersprach Na. “Amis lieben Abkürzungen, das weißt Du doch. Zum Beispiel ‚Dinks‘: double income, no kids‘. Und ‚Ninja“ steht für ’no income, no job or assets‘.“ Na dachte einen Moment lang nach: “Was machen die denn jetzt, die Ninjas, wenn sie ihre Zinsen nicht zahlen können? Die Bank droht ihnen doch bestimmt, sie vor die Tür zu setzen, oder?“

“Natürlich tut die Bank das, kleine zweitgeborene Na.“ Nuk nutzte wie immer jede Gelegenheit, um ihre paar Sekunden mehr Lebenszeit als größere Intelligenz zu behaupten. “Aber viele Ninjas kommen der Bank zuvor: Sie ziehen einfach aus und schicken der Bank den Hausschlüssel. Damit gehört das Haus nach amerikanischem Recht der Bank – und die hat ein Problem. Was soll sie mit einem Haus, mit vielen Häusern, die niemand haben will? Was ihr dagegen fehlt, ist Geld. Pleite ist sie!“

“Ihr seid wirklich kluge Kinder!“ lobte Kulle aufrichtig. “Die Bank ist pleite, die anderen Banken, die die schlechten Kredite gekauft haben, sind es auch. Sie brauchen Geld – aber wer leiht ihnen schon was? Jeder befürchtet, dass sie ihre Kredite ebenso wenig zurückzahlen können wie die Ninjas‘. Ihre Profitrate ist gesunken, und ihr Rating ist im Keller. Da jeder mit jedem gezockt hat, ist das inzwischen weltweit zu beobachten.“

“Und was passiert jetzt, Onkel Kulle?“

“Uns passiert gar nichts. Aber den Menschen – ich sage nur pffffft‘!! Das sage ich übrigens oft als Fazit meiner wissenschaftlichen Werke – bei Gelegenheit dürft ihr sie mal lesen!“

“Machen wir, Onkel Kulle!“

“Danke, Onkel Kulle!“

Die beiden tobten davon, und Kulle griff schmunzelnd zu seiner unerwartet aktuellen Lektüre.

Konsequenz


Bärdel saß gemütlich in der Aprilsonne auf der Erde und schaute den ersten Löwenzahnblättchen beim Wachsen zu. Er bleib nicht lange ungestört. In der Ferne hörte er fordernde Rufe: “Onkel Bärdel! Onkel Bärdel!“ Die hohen Stimmchen gehörten Na und Nuk. Er hatte die beiden Kleinen gerne um sich, aber er erleichterte ihnen die Suche nicht: Mochten sie ihn selber finden!

Na und Nuk

Da die Zwillinge empfindliche Nasen hatten, entdeckten sie Bärdel schnell. Er nahm sie in die Pranken, knuffte sie herzhaft, was ihnen ein entzücktes Quieken entlockte, und bot ihnen zarten Löwenzahn als Delikatesse an.

Nuk wehrte ab: “Danke, Onkel Bärdel, aber dafür ist jetzt keine Zeit. Wir kommen wegen etwas Wichtigem!“

Bärdel steckte sich das wohlschmeckende Grünzeug ins eigene Maul, kaute genüsslich und erkundigte sich: “Und das wäre?“

“Du musst uns helfen, die Welt untergehen zu lassen,“ erklärte Nuk, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.

Da Bärdel das anders bewertete, verschluckte er sich heftig, rang nach Luft und erholte sich erst allmählich von seinem Erstickungsanfall, nachdem die Schwestern ihm kräftig auf den Rücken geklopft hatten. “Die ganze Welt oder nur die Erde?“ erkundigte er sich danach.

“Die Erde reicht,“ antworteten Nanuk im Chor.

“Und warum möchtet Ihr das, wenn ich fragen darf?“

“Du darfst immer fragen, Onkel Bärdel. Tante Atti und Onkel Kulle haben gesagt, wir seien ihnen immer herzlich willkommen, wenn wir etwas wissen möchten, aber zur Schule zu gehen brauchten wir ab sofort nicht mehr. Wir wüssten jetzt eine Menge, und wir hätten auch gelernt, wie wir uns noch fehlendes Wissen beschaffen könnten. Na ja, und daraufhin haben wir uns klargemacht, was wir wissen. Und als wir damit fertig waren, haben wir beschlossen, dass es am besten ist, wenn…“

“Schon gut, schon gut!“ unterbrach Bärdel. “Was wisst Ihr denn?“

“Wir wissen viele schöne Dinge, zum Beispiel in Mathe und Physik, und viele scheußliche. Die scheußlichen haben wir in Geschichte und Politik gelernt. Also in Menschenkunde. Die Menschen haben nichts Besseres zu tun, als sich zu vermehren und sich gegenseitig umzubringen. Das Umbringen ist übrigens nicht effizient genug, die Menschen werden immer mehr. Sie sind kurz davor, auch noch die letzten Rohstoffe auszubeuten und das Klima so zu verändern, dass nicht nur wir Eisbären, sondern auch sie selbst und andere Tiere und Pflanzen nicht mehr auf der Erde leben können. Und deshalb haben wir uns überlegt, dass ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende.“ Als eingespieltes Team hatten Na und Nuk immer abwechselnd einen Satz gesagt. jetzt schauten sie Bärdel erwartungsvoll an.

“Das klingt wohl überlegt!“ kommentierte Bärdel. “Und warum soll ich Euch beim Untergang der Erde helfen?“

“Wir … wir wissen nicht, wie wir das anstellen sollen,“ gestanden die Kleinen.

“Nun, in dieser Beziehung kann ich Euch durchaus Vorschläge machen. Aber erst müsst Ihr mir genauer sagen, welches Ziel Ihr anstrebt: Soll die Erde in Trümmerstücke zerlegt werden? Oder reicht es, wenn die Menschen von ihr verschwinden?“

Na und Nuk waren sich wie immer einig: “Es reicht, wenn die Menschen von ihr verschwinden.“

“Dazu fällt mir eine gute Methode ein. Nein, keine Seuche, auch das aggressivste Virus arrangiert sich irgendwann mit seinem Wirtstier, weil es selbst überleben will. Ich schlage einen Krieg vor, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Einen Atomkrieg. Der kann ruhig lokal begrenzt sein – zur Produktion eines nuklearen Winters und zur Zerstörung der Ozonschicht reicht so etwas aus. Hetzt also zum Beispiel Indien und Pakistan aufeinander, was nicht schwer fallen sollte, und ihr habt, was Ihr wollt. Die Menschen haben nichts mehr zu essen und sterben an Krebs wie die Fliegen. Ist das nach Eurem Geschmack?“

“Super, Onkel Bärdel!“ jubelten Nanuk. “Das ist genau das, wonach wir gesucht haben. Danke! Wir sausen jetzt schnell zu Onkel Manfred ins Computerzentrum und schauen, ob wir die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan stören können. Bis bald!“

Aber bevor sich die Kleinen davonmachen konnten, bremste Bärdel sie. “Immer langsam mit den jungen Eisbärinnen!“ schmunzelte er. “Möchtet Ihr vielleicht nicht doch ein bisschen Löwenzahn? Nein? Nun, dann lasst uns wenigstens voneinander Abschied nehmen.“

Na wunderte sich: “Aber Onkel Bärdel, Du bist doch sonst nicht so feierlich! Wir kommen bald wieder!“

Bärdel wiegte seinen dicken Kopf hin und her. “Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auch wir werden verhungern, erfrieren und an Krebs sterben, wenn Ihr Euren Krieg macht. Ob wir uns jemals wieder sehen?“

“Oh!“ sagte Nuk.

“Wieso wir?“ fragte Na.

“Wir sind mit den Menschen genetisch eng verwandt. Was ihnen schadet, schadet uns auch.“ Bärdel ließ es dabei bewenden und verkniff sich einen Seitenhieb: Das hättet Ihr in Biologie eigentlich lernen sollen.‘

“Ja, dann…“ überlegte Nuk. Und schnell kam sie zu einem Entschluss: “Ich als die Erstgeborene beschließe hiermit, dass wir mit dem Weltuntergang noch ein wenig warten. Einverstanden, Na?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: “Onkel Bärdel, gilt Dein Löwenzahnangebot noch?“

“Selbstverständlich!“ antwortete Bärdel und schloss die Beiden in die Arme. Bärenleben und auch die Menschen hatten noch einmal Glück gehabt.